merah.de

Christa Ritter's Blog

Der Lautsprecher von Langhans

| Keine Kommentare

Kann man etwas einfach so „vergessen“? Ich sehe gerade die Amazon-Serie „Homecoming“, in der die Protagonistin eine wichtige Zeit ihres Lebens einfach „vergessen“ hat. Ein wesentlicher Slot versank scheinbar im Unbewussten. Oder ist einfach nicht wirklich passiert? Oder von einer anderen Sicht überschrieben worden? Wie sich in einer späteren Folge zeigt: Es wurde von ihr selbst gelöscht. Aus Liebe. Immer noch zum Mann, noch nicht zu ihr selbst.

Immer wieder erlebe ich Empörung. Hier und im realen Leben. Wie kannst du einem Mann alles nur nachquatschen. Ja, etwas in mir sagt auch: Bist du sein Lautsprecher? Immer mal wieder: Ich bin nichts, er weiß alles. Oder: Ich bin nur eine dumme Pute, er ist so viel weiter. Anfangs, als ich mich mit dem einen Mann unter uns Frauen zusammentat, war an dieser Einschätzung vielleicht sogar was dran. Ich kam aus meiner feministischen Opferwelt, hatte von mir selbst keine Ahnung. Das wollte ich in diesem Labor ändern und gab meinen neuen Freunden aus guten Gründen einen Vorschuss. Sie hatten die erste Klasse bereits hinter sich, ich war die Nachzüglerin. Natürlich nicht wirklich, aber dazu später.

Nach ein paar ersten Jahren Zuhören, Lesen, Beobachten fing ich mit dem Praktischen an. Videos machen, das anschließende Schreiben lernen mündete in TV-Dokus. Immer mit diesem Mann an der Seite. Und jetzt das Wesentliche: Nicht einem, der dem männlichen Ego folgte. Nach dem üblichen Motto: Die Frau an seiner Seite. Stattdessen Lernen von jemandem, der längst auf einem Weg in sein inneres Unbekannte ist, der daher im Hintergrund meine Schritte spiegelt und fördert. Natürlich habe ich ihn damals nicht so frei sehen können, saß noch immer feministisch fest: Ich war Opfer, unfähig zum Selbstbezug und das nahm ich ihm, dem Mann, übel. Irgendwie in aufgeblasener Konkurrenz, kein Blick auf mich. Ich hatte sogar Angst vor ihm. Vor seiner Kraft, vor Kampf, Gewalt, Übermächtigem. In meiner Kindheit hieß es oft: Männer sind immer Vergewaltiger. Ja, ja, steckte tief in mir drin. Geschlechterkrieg sowieso. Also musste eine lange Strecke des ständigen Scheiterns aus meinem Wahnsinn passieren. Gefühlt, weil immer wieder „vergessen“ (siehe oben): Ein Schritt vor, zwei zurück.

Bis heute. Was will die Frau? Was will ich? Diese Fixierung auf den mächtigen Mann zurückzunehmen, das scheint für Frauen nach wie vor extrem schwer zu sein. Alle Frauen beziehen ihre Identität bisher aus der männlichen Zuordnung, die sie selbst mit veranstalten. Ich kenne keine Frau, die diese Macht zurück nimmt. Der Vergewaltiger wäre dann nämlich sie selbst: Selbstverantwortung hieße das. Siehe #metoo. Ich bilde mir heute ein, dass sich die Nebel einer langen Reise durch die Nacht bei mir langsam zu lüften beginnen. Sehr langsam. Ähnlich nehme ich andere wahr. Ich irre mich?

Meine eigene Geschichte aus dem „Vergessen“ heraus entsteht also gerade erst, für mich kaum sichtbar. Rainer ermutigt mich immer wieder, inspiriert, reißt den Schleier meines „Vergessens“ auf. Nur, wenn ich ihn darum bitte. Kreativ aus mir heraus zu handeln, bleibt schwer. Obwohl ich es tue? Paradox! Mir Eigenes zuzumuten, kommt mir geradezu unverschämt vor. Und doch ist da die starke Sehnsucht plus 40 Jahre Praxis: Mach dein Ding! Folge nicht der Matrix dieser Gesellschaft, der deines inneren Vaters, deiner Mutter. Schau dich an, nicht andere! Oder: Schau genauer hin, welchen eigenen Unterwerfungs-Müll du wieder schreddern kannst. Sieh dich statt stumme Faschistin als tollkühnen Wanderer mit dem Wind (Alexandra David-Neel), weiblich und doch letztlich geschlechtslos, ständig scheiternd, sich selbst erfindend.  Der/die dafür Reflexe von außen, von Mitwanderern braucht, sie sogar sucht. Gerade auch diesen Mann, der sich Rainer nennt und der so entschieden vorangeht. Gestern habe ich wieder ein Gespräch mit ihm gesucht: Wie kann ich mein Nein dem Adam-Eva-Leben gegenüber weiter auflösen? Was wir redeten, kam bei mir an. Als Liebe: Es beschäftigt mich. Ich kann zu dir auch immer nur so viel sagen, wie du dir selbst zugestehst, hörte ich von ihm. Das gefällt mir: Ich bin mein Autor.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Zur Werkzeugleiste springen