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Christa Ritter's Blog

Die Ehe ist tot

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Die Ehe ist tot stand (ausgerechnet!) auf einem BUNTE-Titel im Juli 1993 und der zeigte uns Frauen in von der Redaktion gewünschten, von uns lachend ausgesuchten Haremsklamotten, in der Mitte unseren Pascha. Das Foto war bei diesem Titeltext nicht etwa ironisch, sondern durchaus revolutionär gemeint. Ja, Frauen können anders als Puppenhaus, einen ersten Mann dafür gibt es auch: Einen, den sie sich für ihre weibliche Utopie aussuchten, einen, der sich nicht mehr hinter der Macht der Hüfte versteckt. Eine Utopie, an der wir zu dieser Zeit schon 15 Jahre miteinander durch Dick und Dünn experimentierten. Als die Aufnahmen zu dem Titel in Berlin entstanden, fühlten wir uns ganz besonders obenauf. Ja, das geht! Wir können uns mit der Welt mitteilen, unseren Weg zu neuen Menschinnen öffentlich teilen. Denn wir hatten einen Tag zuvor in der Sendung „Einspruch“ von SAT1 eine kleine Schlacht geschlagen. Gegen zwei alte Besitz-Ehe-Vertreterinnen. Im Scheinwerferlicht einer Art Manege, ich glaube, sogar live auf Sendung, herausgefordert auch vom Moderator Uli Meyer. Frauen können mehr als Mutti, Geliebte, Sekretärin. So funkelten unsere Augen. Und selbst unsere häufigen Eifersuchts-Attacken wagten wir als großartiger Krieg gegen die eigene Trägheit, die natürlich immer mal wieder aufkommenden Zweifel geradezu als notwendige wie spannende Greek Tragedy selbstbewusst zu verkaufen. Ich erinnere mich, dass die beiden uns herausfordernden Kontrahentinnen in der Sendung keine wirkliche Chance gegen uns hatten. Obwohl sie doch die vermeintliche Zuschauer-Mehrheit vertraten.

Mit unserem Auftritt und seinen Folgen hätten wir vielleicht in der Folge die Nation aufmischen können. Aber Mut und Oberwasser hielten nicht lange an. Wir Frauen knickten schon bald nach dem Foto-Shoot wieder ein. Gut so? Ich weiß es nicht. Meine Angst hatte mehrere Gründe. Einer war sicher, dass ich mich nicht mit aller Konsequenz traute, mich öffentlich genauer und damit ausdrücklicher gegen alle Frauen des Landes zu stellen. Gegen all die Muttis, Geliebte, Sekretärinnen. Die weiter im Schatten der Männer, mit Blick auf ihn, nicht auf sich, dem Schutz der Großen Mutter zu folgen bereit waren. Puppenhaus als Komfortzone. Aber so einfach war und ist es bis heute auch für mich nicht. Damals jedenfalls: Statt großer Knall also zurück zu leisen, kleineren Schritten. Ich brauche Umkreisungen, nutze Besenkehren in weiteren Kellerinstanzen, so erscheint mir manchmal meine Wegstrecke. Nur nicht aufgeben! Als dürfe die Große Mutter nicht merken, dass ich gekündigt habe. Sonst frisst sie mich, wie Niobe ihre Kinder. Ich bin überzeugt, dass aus demselben Grund auch ihr euch aus einem Versteck zum nächsten hangelt, immer unter dem Radar. Andererseits muss die Mutter-Göttin mir den Segen geben. Daran komm ich wohl nicht vorbei. Und wohin willst du gehen, Tochter, wird sie aufheulen. Ins Unbekannte, dorthin, wo die Frauen noch nie waren. Wie nennt man diese Zonen? Sie wird mich mit einem Schwall von Drohungen einzuschüchtern versuchen: Bakterien, Demenz, Krebs. Das hat noch keine geschafft und nun gerade du, du neurotischer Nichtsnutz. Nein, sie wird mit all der ihr möglichen Liebe locken, einer Liebe, die ich nie tiefer spüren konnte. Das wird sie tun. Schwer, dann nein zu sagen. Wo ich doch immer Liebe suchte und keine fand. Verdammte Verlockung und doch nur Täuschung? In diesem Moment höre ich meinen und unseren Mann der Zukunft sehr leise, kaum hörbar, murmeln: Die Ehe ist tot. Lange schon. Heute sind die meisten Ehen keine Ehen mehr. Verabredungen vielleicht, mehr mit sich selbst als mit einem anderen. Erst danach… Genau deshalb machten wir bis heute weiter. Zum ersten Mal in mir Freude, immer häufiger.

 

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