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Christa Ritter's Blog

Ein Schritt vor, zwei zurück

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Das waren noch Zeiten! Wie hinter den sieben Bergen und dennoch utopisch: Als wir Frauen und ein Mann uns ungebremst und radikal ehrlich voreinander in privaten Räumen entblößten. Harem als erstes Reich der Frauen. Unvergesslich. Anfangs nur unter uns, später vor diversen TV-Kameras auch öffentlich. Entsetzlich, schamlos fanden wohl die meisten Zuschauer. Das Eva-Prinzip der harmonischen, liebevollen Frau so ungeschönt zur Disposition zu stellen, war zum Wegschalten hässlich, war von uns Frauen gewollte Kündigung, daher Verrat an weiblicher Macht und dürfte bis heute noch immer ein Skandal sein. Die dunkle Seite der Frau verschwand wieder im Schatten. Aber auch wir „Haremsfrauen“ sprangen schnell kleinlaut. Zurück in die heimische Kiste. Das Private ist politisch als 68 eingeführte Utopie kam für die Bildschirme und auch für uns letztlich zu früh und jede versteckte wieder ihr Eingemachtes. So fing jede an, sich lieber individuell tastend zu sich selbst aufzumachen.

Sieht aus: War zu früh. Gab einzelnen Klärungsbedarf. So eine grundrevolutionäre Entblößung dauert. Erst jetzt, mit dem Internet, könnte einj nächster Anlauf klappen. In Shitstorms hier auf Facebook, auf Twitter übt sich fast schon geschlechtslos. Hier kloppt sich ohne Gesicht. Und Frauen dürfen daher alterslos und fast anonym draufhauen, damit vielleicht schon ein bisschen mehr lieben. Was? Hetzen und Pöbeln soll erweiterte Liebe sein? Ja, versuche ich mit mir zu klären. Ja, das mag stimmen: Jedes Verlassen rollenkonformer Zone könnte one step forward zum eigenen authentischen Ich bedeuten. Raus aus der Komfortzone, rein zu den Gladiatoren. Rollenspiele der Selbstsuche. Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Der Shitstormer will ja den anderen nicht wirklich vernichten. Er/Sie sucht sich als Post-Gender: Zunächst die innere Fratze aus dem Keller holen, dann vor aller Welt ihre Hässlichkeit präsentieren, schließlich in neuem Gewand umarmen.

Der Harem von links: Brigitte, Jutta, Christa und Rainer (Gisela und Anna fehlen)

Noch was zu Robert Habeck. Er hat sich vor einigen Tagen von heute auf morgen von seinen Shitstorms einer möglichen Transformation und Selbstsuche verabschiedet. Die taz: „Habeck schießt den Vogel ab“. In Übereile die gerade für einen Politiker der neuen Ära notwendig erhellenden Accounts gelöscht: Facebook, Twitter. Dumm gelaufen? Dieser beeindruckende Talker könnte so seinen Schatten anschauen, eben jene Kellerleichen, die jeder hat. Die dürfte auch ein Grüner Politiker gehortet haben. Und wenn er dieses Private ent-kontrolliert, indem er veröffentlicht, gestattet er sich auch einen Lernprozess, jene heute für ein gelingendes Leben wohl not-wendige Prozedur zum Besseren der Welt. Tut weh, ja: Widersprüche zwischen Schein und Sein. So sind inzwischen alle mehr oder weniger auf Tour in die Gewissheit des Ungewissen. Habeck schrieb: Die Sozialen Medien machten ihn desorientiert und unkonzentriert. Eben das, was auch ich immer wieder fürchte: Diese Botschaften von Sendern und Empfängern als Fake-News aus dem Unbekannten, dem Irrationalen. Kontrollverlust sind heilsam? Ob wir genau damit damals diesen merkwürdig autistisch wirkende Zuckerberg beauftragt haben?

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