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Christa Ritter's Blog

Könnte ein Lächeln faschistisch sein?

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Wie peinlich ist das denn? Nein, es war mir mehr als peinlich und ist es immer noch. Vielleicht nach 40 Jahren Trial & Error inzwischen etwas seltener. Ich spreche von: Die Sau rauslassen. Tiefer und schlimmer noch: diesen Killer, den verdeckten, noch unbewussten Faschisten in mir selbst. Wir fünf rätselhaft entschiedenen Frauen haben mit dieser Kur de Force am Anfang unserer gemeinsamen, teils auch einsamen Innenarbeit vor Jahrzehnten begonnen. Ich fand das lange entsetzlich, grausam, geradezu unmenschlich. Wenn wir uns unter der Gürtellinie gegenseitig „aufschlitzten“, wenn wir uns, allerdings selten, sogar schlugen. Diese Gewalt als meine zutiefst eigene wirklich tiefer anzuschauen, dazu brauche ich immer noch meist ein paar Tage. Großer Widerstand. Zu dick die Schutzbrille meiner „Sesshaftigkeit“, dieses komische „ich will dazu gehören“, ich will, wem auch immer, gefallen, brauche Applaus. Auch mein automatisches Lächeln, nach manchen Sätzen eine Art Kurzlachen. Interessant und fürchterlich. Ja, wir Menschen spielen verdrehte soziale Wesen, aber auch noch etwas anderes?

Ich will, dass es auf dieses Andere hinter meinem Faschismus hinausläuft! Bei immer mehr Menschen. Hier: Kein Lachen. Umso verrückter kam mir daher zunächst Rainer’s Sicht auf diesen neuen Präsidenten vor. Trump sei mit seinen Tweets der erste Avatar des Internets, einer, der seine Wähler in die virtuellere Welt mitnimmt, der seinen Faschismus ausstellt, daher nicht mehr betrügt, der endlich sogar politische Versprechen umsetzt. Der wirklich diesen Rätselsatz „Make America great again“ ernst meint: ein besserer Mensch werden? Ein Trump, der in seiner Hässlichkeit echt ist, während die anderen lügen und betrügen. Der daher nun auch in den Midterms den Senat ausbauen konnte.

 

Hab Rainer nicht wirklich kapiert. Und doch… Endlich scheint sich neuerdings meine Sicht auf Trump zu erweitern. Ich sehe plötzlich eine Ähnlichkeit zu der Arbeit unter uns fünf Frauen und einem Mann. Diese Ehrlichkeit privatester „Ungeheuer“-lichkeiten, sprich Faschismus: Erinnern, nennen Therapeuten den ersten Schritt zur Heilung. Die weiteren: Wiederholen, zuletzt Durcharbeiten. Der Schlusspunkt Aus der Hölle zum Licht. Das Private ist politisch: Trump traut sich was. Und alle schauen angewidert, aber auch fasziniert hin. Eine vergleichbare Frau ist bisher nicht aufgetaucht. Melania scheint Trump durchaus privat-politisch zu beraten, bleibt aber im Hintergrund. Und wir Fünf? Ich weiß nicht, wo genau ich stehe. Es dauert. Schon 40 Jahre: Die Hälfte dieser Zeit ein Graben im Virtuellen ohne Internet. Meditation, tagelang aufn einer Wiese am See.

Ob das Internet als Tool den Prozess der Selbstvirtualisierung tatsächlich beschleunigt: Dem eigenen Faschismus ins Auge zu blicken, ihn also als Shitstormer oder Hater zu wiederholen, um ihn dann durchzuarbeiten? Du, ich, wir alle? Damit wir nicht mehr fragen müssen, wie ständig auf Facebook zu lesen: Rodung des Regenwaldes, Jemen, Hambach, Tierquälerei, alles draußen in der Welt so furchtbar, was sollen wir machen? Selbstveränderung, ja! Gerade im Spiegel gelesen: „Es geht um die Welt, die noch nicht ist.“ Die, die erst hinter meinem Faschismus möglich ist?

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