Dienstag, 9. April 2013
Indien ist jetzt fast einen Monat vorbei und ich stehe hier, im sweet home Munich, immer noch nicht wieder fest auf beiden Beinen. War da was? Und wenn ja, war ich das? Innen oder außen? Umkreisungen nachträglicher Selbstwahrnehmung. Darüber diskutieren wir Frauen mit Rainer und die Ansichten sind unterschiedlich. Mal näher, dann sehr laut oder ganz leise, mal weiter weg, nicht anders. Und draußen, ein paar Straßen weiter in Milbertshofen (S71): Rechts und links sehe ich die Piraten in ihren eigenen Räumen meist verstummt, manche seufzen, weil niemand weiß, wie das geht, dieses sich Herausziehen aus der momentanen Depression, um guter Dinge, geradezu frohgemut in Wahlkämpfe einzusteigen.
Sonne muss her, Menschen, die man gerne hat, mit denen man große Bilder austauscht, eine Zuversicht ins Leben. Oder so. Hab ich trotz dieser fabelhaften Reise auch nur selten. Also los, mittenmang, Bewegung. Zuerst am Samstag nach Ffmain ins Ökohaus, das wie ein Glasinsekt einen Baum umarmt. Die Fassade als versetzte Glaserker, innen haushohe Palmen, auch Dschungelartiges und dazwischen plätschert unter mäandernden Gängen ein künstlicher Bach.
Im kleinen Restaurant kocht ein Iraner Safranreis mit Walnusssoße. Schmeckt gut, sagt einer. So ähnlich wie hier im Bockenheimer Glashaus sollte auch das Ambiente eines nächsten Piraten-Parteitages aussehen. Oder die #Piratinnenkon. Heute trifft sich hier in Frankfurt ein Grüppchen von etwa dreißig Piraten der eher mitteljungen Members, um einen Verein zu gründen, der eine Stiftung der Piratenpartei werden soll. Nett sind sie, die um den großen Tisch sitzen, engagiert und überhaupt nicht depressiv. Vor mir auf dem Tisch die Satzung, juristisch ausformuliert, an meiner Seite ein sanfter Pirat, der freundlich in sein Laptop, vielleicht auch mir zuflüstert, während er den anderen zu lauschen scheint. Piraten-Erstgestein Jens Seipenbusch erläutert vorn den gebeamten Text, fragt nach, klärt und erklärt. Auch Lore Reß als unermüdliche Sprecherin der 42 galaktischen Gleichgesinnten scheint die Übersicht nicht mehr aus der Hand zu geben. Alle wollen wohl mit dieser Gründung auch das Kernthema Ausbau und Verteidigung Internet retten. Sie wirken auf mich, als wären sie überzeugt, bald wieder die nötige Flughöhe zu erreichen, höher, raus aus der alten Gesellschaft des Kleinpolitischen in eine virtuellere, wenn auch vielleicht nur als Stiftung. Es wird dann noch um den Namen gefochten, der Vorsitz usw. verhandelt, während ich schon am Bahnhof entlang hechelnd, den letzten Bus nach Berlin kurz vor Abfahrt verzweifelt suche. Teuer ist der, weil ich nicht online buchte. Wenigstens hat er W-Lan. Übrigens: Die Stiftung wird 42ev. heißen, nicht Klaus Störtebecker oder Douglas Adams oder William Gibson.
Nach 6 Stunden Busfahrt: in Berlin unter Pirat*innen. Ein Plattenbau des Neuen Deutschlands hinter dem Ostbahnhof. Die Sonne scheint. Hier findet die #Piratinnenkon statt. Gestern schon und auch heute, am Sonntag. Zum ersten Mal versammeln sich weibliche Piraten, also Piratinnen, weil sie raus wollen aus dieser Depression. Auch zu den Shitstorms eine Alternative suchen. Ich fürchte unversöhnliche Töne, scharfe Zungen, kreischende Feministinnen. Erstmal hässliches Haus, lange Flure, Reinigungsmittel duften. Dann aber erstaunlich gute Stimmung: Jeder redet mit jedem, gezielt und doch irgendwie spielerisch, weiterkommen, Tische und Themen im Wechseltanz. Hier im World Café hat man sich offenbar nicht zur Schlacht, sondern tatsächlich zur Suche nach Menschlichkeit verabredet. Mit Männern (etwa 30 %), denn, so heißt es bald: Wir wollen alle unsere Weiblichkeit entwickeln. Was? Nerdige Techniker und die Weiblichkeit? Ich starte einen kleinen Versuchsballon: Könnten wir nicht einen Antrag zur Meditation für alle in unser Parteiprogramm aufnehmen? Erstaunlich: Keiner am Tisch verdreht die Augen. Ich bin aber sicher, dass am Nebentisch Johannes Ponader entschieden protestiert. Der, wie er sagt, weiblich Sozialisierte hasst nämlich Eso-Zeug. Warum eigentlich, Johannes? Jetzt sitze ich an einem Tisch neben Bernd Schlömer und der mag Eso, da bin ich sicher. Ist ihm so fremd, dass er mag. Lustige blaue Augen hat er und rote Bartstoppeln im Gesicht. Ach, schnell die große Umarmung mit den Mädels aus München: Biro, Emanuelle und Nikki. Auch Bruno mit Hut schaut kurz vorbei. Bei dieser Reise von Tisch zu nächstem Tisch sitzt mir gegenüber zum zweiten Mal das klug argumentierende Mandelbrötchen (Blog- und Twitter-Name, männlich) und schlägt nachdenklich anknüpfend den leisen Menschen vor, couragiert, finde ich, den, der sich allen Menschen auch in der realen Welt zu öffnen lernt. Vor allem dort, noch ungeübt, dennoch erklärtermaßen in womöglich Feindesland, nämlich außerhalb des Netzes. Wo Körper immer hindern. Wie geht das praktisch? Awareness sagt ein Mädchen leise: mehr Gefühle entdecken lernen, auch bei den Männern, während Frauen doch bitte mal langsam mit dem Beschuldigen aufhören könnten. Sagt sie. Selbstwahrnehmung und Empathie müssten zu Tugenden der Piraten werden. Heißt es am Tisch Nr. 7. Bin ich im Eso-Seminar gelandet? Oder wird das eigene Gesicht endlich bei den Piraten als politisch anerkannt? Na klar! Die Politik soll ja, piratisch gesprochen, neuerdings von Menschen ausgehen. Zu solchen Menschen zu werden, das könnten die Spielfelder weiterer #piratinnenkons vermitteln. Diese Arbeit an uns selbst würde dann in die Politik der Piraten einfließen und von den Altparteien verwundert aufgenommen. Wouldn’t it be nice? Anke Domscheid-Berg strickt weiter emsig und lacht selten. Dafür umarmt Johannes umso häufiger. Dazwischen essen diese und jene und auch ich einen kleinen Teller Eintopf zu € 1,50 mit richtig dick Petersilie drüber. Freundliches Kantinen-Angebot. Weiter an den nächsten Tisch: Was machen wir praktisch, damit die hiesig erträumten Notwendigkeiten und Erkenntnisse nicht hinter dem Plattenbau verwehen? Weitere Treffen/Salons a la #Piratinnenkon. In jedem Bundesland, selber organisieren und vernetzen. Wird beschlossen. Überhaupt: Viel miteinander reden, sich kennenlernen, Denken und Fühlen mitteilen. Zwischendrin facebooken, eine Domaine Liquid Gender etablieren, ein Diskriminierungsbeauftragter soll her.
Dass wir Frauen uns der Macht und Enge unserer Opferrolle öffentlich bewusst werden könnten und dann unverschämt weitere Schritte tun, diesen Punkt in Anträge zu verwandeln, habe ich nicht vorgeschlagen. Hätte ich schon gern gemacht. War nicht so weit. Weil ich von irgend woher einen Aufschrei hörte? Hab mich wohl verhört, kam von uns und mir aus München. Verrückt nicht? Wir sind nämlich an diesem Thema schon eine Weile dran. Ungemütliche Sache, wie ihr ahnt. Mir ist durchaus bewusst, dass ich gerade über den unausweichlichen Schrecken schreibe. Psst!
Zurück zum Finale im Plattenbau: Ein Raunen, große Freude: Susanne Wiest humpelt an ihrem bunt bemalten Stock zum Podium.
Ich freue mich, sie wiederzusehen und wir strahlen uns an. Sie hat als eine der Ersten vor Jahren das Grundeinkommen mit einer Petition dank fulminanter Beteiligung in der Republik auf einen Schlag bekannt gemacht. Seit gestern ist sie Spitzenkandidatin der Piraten für Mecklenburg-Vorpommern. Hier scheinen viele die leise Lächelnde zur Königin des Tages erklären zu wollen.
Irgendwie habe ich bei dieser #Kon die sonst so üblichen Laptops gerne vermisst. Ein absichtliches Statement der Piratinnen, glaube ich. Sie wünschen sich wohl tatsächlich hinter dem ganzen Parteispiel weniger Gender-Krieg, also ein besseres Verständnis ihrer selbst, meinen aber nicht weniger die nerdigen Piraten. Die Männer. Nicht sexistisch wollen sie den Schimpf überwinden und den offen ehrlichen, leiseren Konflikt lernen. Sich dabei in den anderen spiegeln, in diese bedrohliche Vielfalt hinein hören üben. So viel gute Vorsätze törnen an, auch ich spüre ein wenig Aufwind unter den Absätzen. Du träumst, höre ich es raunen, alles nur Kaffeekränzchen. Politik passiert anders. Why not: So’ne #Kon muss es bald auch in Bayern geben. Sekor, der Vorsitzende dort/hier ist krank geworden. Gute Besserung! Liquid Gender…
10. April 2013 um 03:19
Liebe Merah – Du gehörst irgendwie mehr ins „World Cafe“ als alle zusammen, habe ich das Gefühl… und doch warste nicht auf der PiratinnenCon.
Mit großen Schritten reist Du durch die Kulturen, mit großen Schnitten faßt Du alles zusammen – und hast kaum in Deinem eigenen Theater irgendwie recht.
Zum Beispiel waren sehr viele keine „Notebook-Nerds“ – und es gab nur einen Sachsen-Tisch im LPT-Laptop-Mode, der sich ganz natürlich durch das PlätzeWechseln auflöste.
Gleichzeitig gehörteste da – was es auch kostet – dorthin, weil Du das GrundProblem von Ego1.0 gelungen vor HerzensAugen führst: den AUTISMUS, der weder andere wahrnehmen kann, noch einen Bezug zu anderen aufbaut.
Der äußere Transportismus (durch die Welt reisen) wie auch der Innere Transportismus (mit WLAN überall sein, nur nicht bei seiner Umgebung) läßt Du zum Mit-Erlebnis werden – doch Du bleibst Dir nur Du selbst. Ein Wir – entsteht nicht.
Du wirkst soooo aktivistisch liebend – und so behindert. Letztlich – hast Du einfach VOLL DEN KANAL VOLL von Menschen.
In meinem Höflein steht eine Weide, in der frau oben gemütlichst sitzen kann – mit Sonne und Schatten, Wind und Wärme fändest Du Deine natürliche Sinnlichkeit wieder – die ein „ÖkoHaus“ genau so sehr herbeizerren kann, so liebevoll die SchickiMickeria ist. Dorthin hätte ich Dich mitnehmen müssen.
Verzeih mir, daß ich es nicht tat. Sogar mit all Deinen Egotrips, Defiziten und gerade deshalb bist Du willkommen in der Weide statt dem Web.
10. April 2013 um 09:26
Machen wir das nächste Mal, denn das soll es ja (hoffentlich) geben. Bin aber gar nicht so fett im Web, wie du mich hier beschreibst. Tu mich mit Technik geradezu schwer. Sinnlichkeit? Ich bin weit älter als du, da wirds langsam Zeit, davon etwas abzutreten.
10. April 2013 um 09:52
hey, liebe Christa – SINNLICH STATT SENIL…
gilt doch schon für iPhone-Teenies heute!
SINNLICHKEIT ist – seinen Panzer (siehe Kafka/Verwandlung) auszuziehen..
und mit den Händen des Herzens… die Würde der Welt voll zu genießen:
Honigen statt Hyperphren!
Alles Liebe & Alle Liebe Dir – was fühlst Du so?
10. April 2013 um 22:47
heute gutes gefühlt: auf unserer indien-reise wichtiges erfahren, weiter reisen. ist heute schon passiert, weil ich mit einer sehr großen, interessanten, ernsthaften frau im park spazieren ging. sie lernt seit 30 Jahren bei ihrem meister. hat sich gut angefühlt. Auch heute abend bei meiner arbeitsgruppe trailerpiraten. und du? wieder auf dem baum gesessen?
11. April 2013 um 02:46
Ich wandere im Wind.
Und fühle mich wie ein Kind – geschwind.
Täglich ich geistig Neues find,
doch es Dir nicht unter die Nase bind!
(Demokratischen Donnerstag)
6. Juli 2013 um 18:00
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9. Juli 2013 um 20:59
Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, sagt dazu: »Die heutige Sanktionspraxis verstößt unserer Auffassung nach gegen das oberste Gebot des Grundgesetzes auf ein menschenwürdiges Leben. Wir fordern daher ein umgehendes Moratorium für solche Regelungen. Für eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe ist in unserer Geldwirtschaft schlicht ein Einkommen nötig.« Ähnliche Argumente lieferte das Bundesverfassungsgericht in einer Urteilsbegründung vom 09.02.2010 [2] .
31. Juli 2013 um 22:27
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