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Christa Ritter's Blog

Selbstmord oder gibt es was Besseres?

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Es ist verrückt mit der Liebe. Erst wollten wir sie alle: All you need is love sangen deshalb meine geliebten Beatles. Und irgend jemand wiederholte später: Love is the answer. 12463_10152285490329642_1796087265_nStimmt das überhaupt? Es ist so lange her, diese phantastische Zeit des Aufbruchs. Ich fühle mich erschöpft: Lieben lernen ist zu einer ewigen Reise geworden und ich fühle mich, als hätte ich kaum begonnen. Dabei war dieser Anfang in seinem Vertrauen auf ein zärtlicheres Leben so viel versprechend: Wir ersten Jungen würden nach der Kriegshölle in diesem Schweigen der Wirtschaftswunder-besessenen Eltern nicht untergehen. Plötzlich war die Liebe möglich, weil sich das Leben so anfühlte, wie es eigentlich ist. Ich will lieben nur und sonst gar nichts, sah man in unseren Gesichtern, rauschte es weltweit durch den Äther. Die Ehe ist tot, wusste ich, die neue Antwort: sich mit vielen Menschen verheiraten. Nicht so werden wie meine Mutter, stand deshalb auf meinem inneren Banner. Wie bei den meisten, wie wir uns fühlten, neuen  Menschen. ST 2 mit MathewIch würde draußen in der Welt also keinem Trampelpfad folgen, sondern eigene Spuren legen. Das passierte in den anschließenden Jahren irgendwie und jugendlich automatisch und endete in dunkler Enttäuschung, die sich aber auch als ein Irrtum entpuppte. Erst im Nachhinein könnten mir auch Deutungen gelingen, könnte sich vielleicht sogar ein geheimer Plan auftun. Ja, es dauert, ja, diese Reise ist mühsam, ja, es hat nichts Besseres gegeben. Nach meinem Anlauf einer merkwürdigen Kindheit der träumerischen Verwunderung in einem Vorort von  Berlin, verfrachtete man mich mit neun Jahren in ein wachsendes Dickicht von mir unerklärlichen Beschränkungen. 10154785_1453487448222105_721112167_nDiese grauenhaften Fifties. Das Land der Bösen im plötzlichen Ehrgeiz, Karriere für das Eigenheim, Leistung an Schreibtischen und zuhause, man wollte wieder wer sein, überall Verbote, hohe Zäune, und der Mann stand oben und Mutti gab es gar nicht, jedenfalls nicht vollständig und dann bei diesem Scheißleben immer freundlich lächeln. Zumindest als Mädchen. Ich schlug mich dann als Vorbereitung eine ganze Weile lang zum erhofften Eigentlichen durch: London, München, wieder Düsseldorf. Viele Highlights dabei und doch blieb untergründig mein Gefühl: Ich krieg nichts wirklich hin, bin schräg drauf, irgendwas ist falsch an mir. Aber als ich deshalb einen Therapeuten aufsuchte, wollte ich meine Krankheit nicht von ihm eindampfen lassen. Das hatte ich nicht nötig, schrie mein Hochmut. Hatte er recht? So war ich als seltsam entschiedener werdender lonely woolf mit 35 Jahren in die nötige Sackgasse geraten und liebte nur meine kleine Hündin Lilly vom spanischen Srand.

Lilly and me

Lilly and me

Draußen kam ich in Karriere und leichtfüßigen Beziehungen nicht weiter. Nicht tief genug. All diese aufregenden Jahre waren, das weiß ich erst heute, eine Art Anlauf, eine rätselhafte Vorbereitung auf einen grundsätzlichen, inneren Umbau. Die Zeit jugendlicher Stürmereien hatte sich dem Ende zugeneigt: Depression mit Selbstmordgedanken verdunkelten mir fast jeden Tag. Ich muss endlich mein Leben selbst in die Hand nehmen, grübelte ich, müsste existenzieller leben. 1620963_494651960645099_1228774533_nEine weibliche Kommune als Harem, die Piratenpartei und das Internet, solch schöne Welten erweiterter Zärtlichkeit, die aus jenem kurzen 68er Rausch entstehen würden, lagen noch in weiter Ferne. Aber, was bedeutet schon Zeit, wenn man das Fliegen lernen will. Und das noch als Frau! Also fing ich mit fast 35 Jahren, Mitte der Seventies, vorsichtig an, Fragen zu wagen: Wie könnte Freiheit gehen? Was bedeutet meine Not überhaupt? Wer bin ich? Ich rätselte. Weil ich Filme liebte, mir vorstellen konnte, Geschichten in bewegten Bildern zu erzählen, schrieb ich schließlich die Filmschulen von Lodz und Berlin an. So spät zur Studentin werden? Meine Eltern hielten mich für aufsässig, vielleicht auch für leichtsinnig, denn meine Agentur für internationale Fotografen lief sehr gut. Auch meinen liebsten Freunden standen nur Fragezeichen in den Augen. Dann entschied ich: praktisch am Set lernen, nicht studieren. Ich werde Geschichten erzählen, wie ich sie mir schon als Kind für andere Kinder ausdachte. Geschichten, jetzt für die Leinwand. Zuerst sprach ich den polnischen Regisseur Andrzej Wajda an, weil ich gerade seinen fantastischen Film Die Hochzeit gesehen hatte und er seine Filme in meinem Lieblingskino vorstellte. Absage: Er hatte sich eben einen deutschen Assistenten zugelegt. Kurz darauf saß ich mit einem Lehrer auf meinem Sofa, um Italienisch für Federico zu lernen: Schrieb Fellini einen begeisterten Brief, sprach lange mit Werner Herzog und wartete stundenlang auf Ingmar Bergmann, um auch ihn anzubaggern. Ganz schön großkotzig, ganz schön naiv: Erst eine der wenigen Frauen, die damals eigenwilligen Mut aufbrachte, gab mir endlich eine Chance. Ich löste meine Agentur auf, verschenkte so manche Klamotte, gab meinen süßen Hund an meine Eltern ab, packte die Koffer und verschwand ohne großes Tamtam mit meinem Golf in nicht enden wollenden Tränen bis München. Schließlich stand ich vor der Tür der Schauspielerin Margarethe v. Trotta, die gerade ihren ersten eigenen Spielfilm vorbereitete.

Das zweite Erwachen der Christa Klages (Filmtitel): Dreharbeiten mit Margarethe, Tina Engel, Luisa Francia, Marius Müller-Westernhagen

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Alexander, ihren Assistenten, gab es bereits, aber sie würde mich als zweite ohne Bezahlung dazu nehmen. Ich war überglücklich. Eine meiner ersten Fragen während der Vorbereitung: Warum schlägt man eine Klappe? Ich war tatsächlich schimmerlos.

Zunächst wohnte ich irgendwo zur Untermiete, mal hier mal da. Endlich schaute ich mir sogar eine WG an: Zu mehreren Freunden, das wärs doch. Aber mein Herz war kalt. Es kam mir vor, als hätte ich keins. Lost und ziemlich verklemmt, einsam als unbemannte Frau, ohne soziales Feld, schmerzlich heimatlos fühlte ich mich und war es auch.Um beim nächsten Film aus dem Hinterhalt purer Verzweiflung endlich meinen Mann der Vorsehung, einen verrückten, weil westlichen Inder zu treffen.

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