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Christa Ritter's Blog

Studium des Inneren

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Mein plötzliches Interesse an Anna W. will ich besser verstehen. Das erste Gespräch unter uns, mein letzter Post, reicht nicht. Es erfasst noch nicht das Rätsel dieser Frau, das auch andere beschreiben: unaufdringlich, unaufgeregt, der Stern am Modehimmel. Ausgerechnet dort ist eine „cool“! Selbst Billie Eilish schaut bei ihr vorbei. Die Vogue-Vorsitzende etwas Besonderes, ja, es ist ein Rätsel, sind wir uns einig. Wintour habe sich zuerst eine innere Identität erarbeitet. Nur mit ihr sei ein erfülltes Arbeiten, sei Kommunikation und Netzwerken möglich. Diese Identität sei nicht mehr von der klassischen Frauenmacht bestimmt: Schönheit, Sex, Körper. Erst diese geistigere Kraft gebe ihr eine Autorität der dritten Art zur Überwindung der Glasdecke, an der bisher fast alle Frauen scheitern. Ohne einen inneren Standort kein Selbstvertrauen: Du kannst nicht überzeugen und wirst langfristig vielleicht sogar krank. Resignation, Depression, im Alter Hexe.

Ja, Mona Schröder hat hier mit ihrem Kommentar recht: Neid und Missgunst. Sie plagen mich immer wieder, weil ich mein Studium des Inneren so wenig wahrnehme. Anders als Anna W. Kommunikation und Netzwerken nicht hinkriege. Trotz 40 Jahre Übung in einer weiblichen Kommune. Als entschlossener Versuch von fünf Frauen und einem Mann, in diesem Labor nach innen, auf diese long and winding road zu gehen. Als erstmal sehr oberflächlich angelegtes Wesen hatte ich diesen Shift wohl besonders dringend nötig. Schnelles hallo-hallo Gegrinse ohne festen Boden unter den Füßen: plump extravertiert, so war ich. Habe ich die vielen Jahre meines „Studiums“ im Retreat verschleudert, nur weggeguckt? Die Zweifel rauf und runter lassen mich selten los. Gleichzeitig bin ich sicher: Da gibt es für mich keine Alternative: Ich bleibe dran! Das Innere, ein Rätsel… Und das soll Anna W. schon bewältigt haben?

Zumindest ein wenig. Denn die winding road hört nicht auf. Ewig langer Abstieg in dieses dunkle, unbekannte Innere. In der Mitte der Dunkelheit sei das Licht, heißt es. Konzentration, Meditation, Disziplin, kein weiblicher Firlefanz? Langsam, Schritt um Schritt. Schon der Anfang verändert dein Leben, sagen weise Menschen. Machen Männer auf ihre Weise, wenn sie sich als Jungs von der Mutter lösen, um zum Mann zu werden. Training, Fights, sich mit anderen Jungs messen. Konflikte austragen, seinen eigenen Weg verfolgen. Dann wirst du wer, kannst andere lassen, selbstbewusst führen, aus innerer Personality. Ist auch für sie nur ein Anfang, der nie endet. So hat, vermute ich, auch Anna W. den Zen geküsst. Dank ihrer geistigeren Verortung hat sich die Glasdecke aufgelöst. Da sei sie weiter als Frauen wie Madonna oder Beyoncé, die nach wie vor mit klassisch weiblicher Verführungskraft wedeln.

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