merah.de

Christa Ritter's Blog

Was suchst du?

| Keine Kommentare

Was suchst du? Fragte mich eine gute Freundin und meinte sich, uns, mich. Als Thema zum Nachdenken am Abend. Wir treffen uns bei ihr in Giesing. Norman bringt in seinem Rucksack ein besonders kräftiges Bier aus NY mit. Malz, Hefe, starkes Aroma. Katrin hat dem Ofen Süßkartoffeln, Pastinaken, Sellerie, Zwiebeln anvertraut. Nur etwas Olivenöl drüber. Was suche ich? Etwas, was ich noch nicht kenne. Mich. Hinter den vielen Fassaden, Layers. Weit über mein Gender hinaus. Gibt’s das? Norman ist geschieden, Therapiecoach, tritt ab und zu auch als Songwriter mit Gitarre auf. Letzteres kommt ihm näher, dem was er sucht. Wir genießen das Gemüse, spielen mit Gedanken, Erfahrungssplitter. Mitten im Move, alle? Wir schauen neugierig, wohin sich diese wenden. Nochmal was draußen machen, sage ich, mit dem Bezug zu dem Unbekannten. Auch im Netz pöbeln und viel mehr. Eigentlich habe ich vergessen, wohin wir dann immer mehr abglitten. Dorthin, vermute ich nachträglich, wohin der Move geht. Eine neue Welt entsteht gerade. Eben: Unbekanntes, Virtuelleres. Plötzlich reden wir über den Verstand und sein erweitertes Gegenteil: Irrationales. Fake-News als erweitertes Wissen der anderen Art. Liebevoller, wie auf Drogen. Norman sagt: Meditation. Kann er das? Den Verstand immer wieder links liegen lassen. Oder rechts. Als wir dann im Flur beim Abschied noch ein Selfie machen, bricht unter uns das Lachen aus. Außerirdische, so sehen wir aus. Von welchem Planeten? Hier seht ihr uns, sagt ihr doch, was man uns Drei ansieht.

 

Aliens von links: Kathrin, me und Norman

 

Dann springe ich in letzter Minute in den vorderen Wagen der S-Bahn. Versuche noch ein Foto, ein Video zu machen. Vom Spiegel am Tunneleingang, wenn die S-Bahn ins Dunkel taucht. Etwas irreal, wie der ganze Abend. Stop Hauptbahnhof. Gerade sollen die Türen zugehen, als ein junger Typ noch schnell reindrängt. Setzt sich neben mich. Noch Glück gehabt, sagt er und schaut mich mit großen blauen Augen an. Hatte ich auch gerade, sage ich. Zwei Glückliche, erwidert er und lächelt. Der Typ fühlt sich so nah neben mir angenehm an. Er trägt einen kleinen Haarknoten und sagt, dass er Tagebuch führt und jeden Abend die drei positivsten Erlebnisse aufschreibt. Eine Richtschnur für das, was er sucht. Ja, ich bin auch suchend unterwegs, sage ich und lächle zurück. Ein guter Freund von mir hat einen indischen Meister, erzähle ich ihm, der empfiehlt das Suchen etwas anders. Jeden Abend schreibst du in dein Tagebuch das, was dir tagsüber nicht gelungen ist, das, woran du weiter arbeiten musst. Ja, zwei gute Timelines, murmelt er. Dass sich das Leben gerade auf wunderbare Weise verschiebt, durch dieses Virtuelle, sehnsüchtige Gedanken als Quelle eines immer besser werdenden Lebens. Halbsätze, Viertelsätze, dazwischen immer wieder Tür geht auf, next stop. Jetzt muss ich aussteigen, sage ich und lächle den Mann schon wieder an. Ich auch, sagt er. Nähe-Extension. Dann stehe ich auf der Rolltreppe und er rennt zwei Stufen auf einmal neben mir die Treppe hoch. Plötzlich sein Umdreher: Das war so schön mit dir, ich liebe dich, danke, du Unverhoffte und immer weiter! Mein Herz klopft. Zehn Minuten unabsichtliches Verliebtsein mit einem Fremden. War nicht fremd, ganz nah. 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Zur Werkzeugleiste springen