Wie ihr wisst, lebt Rainer seine 68er Erfahrung seit damals weiter. Heute sieht er das Internet als ein Tool, das uns alle und daher diese Welt gesellschaftlich auf den Weg in die damalige kurz erlebte Utopie einer liebevolleren Welt führen dürfte. Wir Frauen versuchen diesen Blick schon lange, allerdings mit erheblichen Widerständen zu teilen. Frauen seien konservativer, träger, höre ich immer mal wieder. Stimmt schon. Wir hängen an Mutti mehr als Männer. Selbst, wenn Grenzen heute weniger deutlich erscheinen. Unsere „Kommune“ besteht aus Einzelgängern, ist virtuell, wir wohnen nicht zusammen, wir unterstützen uns aber auf einem Experiment. Könnte ich Weg nennen. „Falsches“ wird schrittweise abgelegt, dann wieder aufgenommen, nochmal bedacht, schließlich überwunden. Immer wieder Jammern aber auch Unermüdliches. Rainer sieht es deutlicher als ich: So scheitern wir, letztlich jede an ihrem Platz, durchaus mühsam in einem langen Prozess aus dem schlechten Leben des Turbo-Kapitalismus mit Hilfe des Internets langsam in eine bessere, virtuellere Welt.

Wir sprachen weiter über farbige Freunde, Verachtung der Frauen, über den unausrottbaren Geschlechterkrieg, Klassengesellschaften wie in Frankreich oder England. Es sind diese hässlichen Ungerechtigkeiten, die in dieser materialistischen, der alten Körperwelt nie aussterben werden. Wieso nicht, frage ich und weiß auch schon die Antwort: Derzeit kracht die bisherige Gewissheit des Westens. Unsere Bemühung der Aufklärung zum Beispiel. Eine große Sache, die Frieden und Glück verhieß. Sie ist vor die Wand gefahren, nirgendwo eine Lösung. Heute wissen wir, dass die Welt zwar inzwischen wohlhabender, gesünder und gebildeter da srteht, aber hinter dieser Oberfläche Kriege als Wirtschaftskriege weiter zündeln. Der Mensch ist immer noch des Menschen Wolf. Ich überlege: In diesem System bleibt trotz aller aufgeklärten Liberalität Neger, Frauen, Ungebildete, Dicke, Kranke, ja alle bleiben unten und andere oben. Keine Gerechtigkeit. Selbst wenn das Gegenteil behauptet wird. Es gibt keine Erlösung von den Übeln? Doch, denn 68 war die Lösung als nötige Utopie spürbar. Rainer hat sie in der Kommune I sogar praktiziert, ohne das zu verstehen. Erst heute glaubt er, sich und die Welt zu verstehen. Erst indem alle sich langsam in eine feinere, also gewaltfreiere Welt aufmachen, könnte Gerechtigkeit gelingen. Post-Gender, post-kapitalistisch, post-rassistisch, post-faschistisch – also als große Kommunikation offenen Sharings. Mich trifft dieses Bild: Alle emanzipatorischen Schritte innerhalb des Materialismus greifen nicht. Wenn wir Frauen oder „Neger“ oder „Dicke“ uns materiell aufmachen, bleibt diese „Revolution“ in der Welt der Mater, der Mutter, als Materie immer nur eine Behauptung, wird nie wirklich real. Erst wenn wir uns in die Virtualität entwickeln, werden wir langsam in eine Gerechtigkeit finden. Muss ich länger drüber nachdenken, interessant. Klar! Nur in den ersten Tagen der zweiten Frauenbewegung flogen Frauen sogar für kurze Zeit auch mal weiter oben, „sahen“ diesen Weg und schon kurz danach forderten sie nur noch „Gleichberechtigung“ – also an der gewalttätigen Welt des Kapitalismus genauso beteiligt zu werden wie die Männer. Wow!

Und die Flüchtlinge, diese Massen, die zu uns kommen? Auch sie suchen diese gerechtere, weil kommunikativere Welt, die sich durch das Internet anzudeuten beginnt. Das Smartphone ist ihr „Sender“, sie üben dort erste Schritte einer „Revolution“, so wie die IS-Terroristen auf ihre, so brachiale Weise. Die Welt steht Kopf, darin scheinen sich derzeit alle einig zu sein und wir neigen zum Bedauern, wollen uns am Alten festhalten, strampeln – alles letzte Kontrollversuche, das Vertraute nicht aufgeben zu müssen. Aber wir scheitern darin. Move fast and break things, nennen die Leute im Silicon Valley diesen Weg in ein besseres Leben.

Wir redeten natürlich noch viel mehr. Fortsetzung folgt. Bitte nehmt es in Kauf, dass ich hier nicht so ausführlich berichten kann, wie geredet wird, wie ich dabei in Gespeichertes eintauche. Hier auch noch stilistisch gut zu schreiben, das dauert mir zunächst zu lang. Wir betreten in diesen Gesprächen das Irrationale, also Fake-News, die News schon einer neuen Welt des Inneren. Ungewohnt, ja. Ich hoffe aber, dass euch die Themen anregen, so wie mich.