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Christa Ritter's Blog

Die Nestbeschmutzer

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Auszug aus „Die Nestbeschmutzer“ von Petra Morsbach im FREITAG, der mich gerade verlustigt hat. Yes, sagte die Ex-Frauenbewegte in mir, die sich zwecks Selbstermächtigungs-Übungen dann einem „Harem“ (nannte uns nur die Presse) zuwandte. A never ending story.
„Unter Feministinnen: Kuschelig könnte es sein im Feminismus-Nest. Schmiegt man sich an, genießt man Schutz und Wärme. Wehe der aber, die den Schnabel öffnet und ein anderes Liedchen zwitschert! Dann entpuppt sich die viel beschworene weibliche Solidarität flugs als hohle Phrase. Man fristet sein Leben geteert und gefedert oder zieht als Paradiesvogel durch die Lande und sucht sich seine eigene Schar.
Ich habe mich für die zweite Option entschieden. Meine Spezies lässt sich besonders schwer klassifizieren. Wer, wie ich in dem Buch Satans Spielfeld, erlittenen Missbrauch in all seiner Ambivalenz aufzeigt, wird schnell zur Verräterin gestempelt. So tönen vor allem die intersektionalen Feministinnen, denen ich entweder zu weiß, zu wenig sensibel oder zu liberal bin. Ich kann ihnen darin nur zustimmen, denn wer gelernt hat, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, zeigt dem Leben geschuldet wenig Verständnis für #metoo-Profiteusen und Hypersensibilität à la mode. Das Menschliche ist mir im Zweifel näher als das Weibliche.
Meine Skepsis gegenüber Obrigkeiten ist unausrottbar; Beleidigungsklagen sind für mich ein Ausdruck von Schwäche. Konflikte trage ich aus, persönlich und scharf. Dazu aber sind viele meiner Kritikerinnen nicht in der Lage. Ihre Strategie kulminiert in Ignoranz. Anstatt sich nach allen Regeln der Kunst zu streiten, verdünnisieren sie sich. Bestenfalls gibt’s ein Ich-blockier-dich, vor allem, wenn ich Interviews mit Lisa Eckhart oder Thomas Fischer führe.
Jeglicher anarchische Impetus ist flöten gegangen, Law and Order herrschen im Reich des Intersektionalen. Der Gipfel aber ist, dass sich die Edition F- und Missy-Feministinnen als Gralshüterinnen des Kapitalismus erweisen. Beispiel #ageism: Fünfundzwanzig- bis vierzigjährige Frauen gelten als Sprachrohr der Weiblichkeit und fühlen sich ganz wohl mit diesem Monopol. Das ewig Weibliche wird abgelöst durch „Jung & Geschmeidig“, ein Label, das wie der letzte Trumpf des Patriarchats wirkt. Apropos Patriarchat und Kapitalismus: Selbstverständlich sollte jede ihren Körper gestalten, wie es ihr beliebt. Wenn aber Brustoperationen unter dem feministischen Motto „My body, my choice“ verkauft werden, ist der Gipfel der Heuchelei erreicht. Scheinheiligkeit ist die Signatur unserer Zeit.
Vor lauter neuen Normen klafft der Spalt zwischen Begehren und geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen immer weiter auf. Frauen, die sich einen Mann schnappen, um die Karriereleiter zu erklimmen, fühlen sich genötigt, zu behaupten: „Ups, er hat mich geleckt, aber ich habe das doch gar nicht gewollt!“
Dabei sind wir Frauen doch nicht alle aus einem Guss. Es gibt auch unter uns Jägerinnen und Sammlerinnen. Höchste Zeit also, Diversität auch im Weiblichen zu erkennen und sich nicht bei jedem falschen Blick angepisst zu fühlen und in seinen Safe Space zu flüchten.
Das dringlichste Bedürfnis aber erkenn’ ich im Humor: Wenn ich mich als Mann verkleide und meinen Roman Poor Dogs ankündige mit dem Slogan „ein Abgesang auf den Feminismus und ein Hohelied der Liebe“, stampfe ich gewiss nicht den Feminismus in Grund und Boden.“ (Petra Morsbach)

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