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Christa Ritter's Blog

Rainer wird 75

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Hier das Geburtstags-Ständchen der SZ vom 16. Juni (weils so gut gelungen ist, poste ich es hier einfach mal):

Provokateur, Lachnummer und eigentlich, auf seine Art, ein Typ wie Nitroglyzerin. Der Schwabinger Revolutionär Rainer Langhans wird an diesem Freitag 75.

Von Hilmar Klute

Rainer Langhans fährt auf dem Rad durch die mit Klinikhäusern vollgestellte Pettenkoferstraße in München – seine Garderobe: weiße Hose, weiße Jacke, weißes Hemd, weiße Schuhe und dazu der mit diesem Lockenwahnsinn ausgestattete Kopf, die halbrunde Brille, der zarte weiße Bart – so stellen sich vegane Christen den lieben Gott vor. Der einzigartige Rainer-Langhans-Look, nein, nicht sofort hingehen und die Hand schütteln. Erst mal zuschauen, wie der Mann sein Ziel nimmt, das Fahrrad sorgsam abschließt und die Plastiktüte mit den Biofrüchten aus dem Gepäckträgerkorb holt, bevor er ins Café Max Pett geht.

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Der Körper, sagte Rainer Langhans mal, sei das Kriegerische, deshalb müsse man zusehen, dass man oft aus seinem Körper herauskomme. Eigentlich ein guter Gedanke, und wenn man wie Rainer Langhans mit 75 Jahren nach jedem Ausflug in einen so wolkenleichten und schönen Körper zurückkommt, muss das jedes Mal eine glückliche Heimkehr sein.

Im Hof der Münchner TU: lange Rede, tiefer Sinn

Im Hof der Münchner TU: lange Rede, tiefer Sinn

Rainer Langhans hat gerade wieder an einem zwischenmenschlichen Experiment teilgenommen. Für einen Tag zog er in die Sat-1-Kommune Newtopia ein, wo er ziemlich jungen, aber vom Alltagselend schon wundgescheuerten Leuten erklärt hat, dass man auch in der falschen Gesellschaft utopisch leben kann. Er sitzt mit ihnen in einer Art Scheune, und die jungen Menschen widersprechen ihm manchmal ein bisschen. Aber meistens sehen sie ihn mit fassungslosen Augen an und löffeln ein kaltes Tagesgericht. Immer wenn irgendwo der Versuch gemacht wird, den trüb gewordenen Lebensweisen eine freudvollere gegenüberzustellen, wird Rainer Langhans als Experte dazugebeten.

Those were the Days: 1967

Those were the Days: 1967

Weil er es ja auch mal kurz hinbekommen hat, das andere Leben: Als er Ende der 60er-Jahre die erste Kommune auf deutschem Boden gründete, die Kommune I genannt wird. Rainer Langhans, Fritz Teufel, Dieter Kunzelmann und ein paar Frauen zündeten im späten Nachkriegs-Westberlin das große Feuerwerk: freie Liebe, was immer das heißen mag; betörende Drogenzugaben und kunterbunte Multimediavisionen.
Langhans setzt sich jetzt in die hinterste Ecke des Münchner Cafés, direkt ans Fenster, die Tüte mit den Früchten hat er neben sich auf die Bank gelegt. Er sagt: „Wir waren plötzlich irre damals und haben versucht, das irgendwie zu verstehen. Wir haben in den alten Büchern nach Theorien gesucht, aber da war nischt.“

die Tage der Kommune I

die Tage der Kommune I

Stattdessen war da einfach die knallvergnügte Spielart der Revolte, deren militanten Höhepunkt ein geplanter Anschlag mit heißem Schokoladenpudding darstellte – ein Attentat auf den amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Humphrey. Langhans kam dafür in Polizeigewahrsam. Komisch war das, jedenfalls um Längen witziger als die Reden des heiseren Rudi Dutschke, dem der wolkenhäuptige Kindmann Langhans verdächtig war mit seinem Wahnsinn, sich selbst befreien zu wollen. Dutschke wollte das System aushebeln, Langhans zog es vor, durch den eigenen Körper zu reisen. Die Reise mochten nur wenige mitmachen. Am Ende rasten einige armselige Bürgerkinder mit knatternden Maschinengewehren durch Deutschland, weil sie wirklich glaubten, das Volk (von was noch mal?) befreien zu müssen.

Das hier mit Kunzelmann war dann schon viel später: Stuttgart 1988

Das hier mit Kunzelmann war dann schon viel später: Stuttgart 1988

Die meisten von ihnen sind heute vergessen, gestorben oder leben irgendwo unter einem fremden Namen. Langhans ist immer noch da, ein freundlicher Luftgeist aus einer fernen Zeit, als ein paar Leute in diesem Land ziemlich aufregende, schöne und verstörende Ideen hatten.

Die Städte sind voll von so vielen Unglücklichen seines Alters. Irgendwas macht er also richtig
Mit Rainer Langhans kann man zweierlei anstellen. Man kann ihn lächerlich machen. An seinem „Harem“ können sich Journalisten nicht sattfilmen: Wie das wohl geht mit fünf Damen – alle deutlich über sechzig und reden immer noch über Orgasmusprobleme?

Für RTL: lachend und weinend ausgezogen

Für RTL: lachend und weinend ausgezogen

Sie filmen ihn und seine Frauen beim Schlendern über den Viktualienmarkt, beim Planschen im Schwimmbad und beim Gang aufs Oktoberfest, gerne von delikaten Kommentaren begleitet. Der alte Apo-Zausel und seine Weiber – wie geil ist das denn.
Langhans macht das alles gerne mit.

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Den Voyeurismus der Medien bedient er frech und dann zu seinen Gunsten; er hat sich ins RTL-Dschungelcamp setzen lassen, in die klassische Gnadenschussveranstaltung des deutschen Fernsehens. Langhans, der dort fast nur schwieg, ist herausgekommen, wie er hineinging, ohne Schaden, weiß und weise. Er kennt die Schalthebel.

1969: Uschi tritt vor, Rainer zurück (Rollen-Revolution!

1969: Uschi tritt vor, Rainer zurück (Rollen-Revolution!

Schon in der Kommune hat er es mit seiner Freundin Uschi Obermaier auf den Titel des Stern geschafft, der damals schon in einem schönen Busen ein politisches Signal erkannte. Das ist das eine. Das andere: Man kann sich auch anschauen, wie einsam, trostlos und kreuzunglücklich Menschen, besonders ältere, sonst so in unseren Städten leben. Und man könnte dann zu der Ansicht gelangen, dass jemand, der ein paar, wenn auch über sieben jasminduftende Ecken gedachte Antworten parat hat auf die Frage, wie man seine Zeit auf der Erde einigermaßen würdevoll verbringt, dass der keine so schlechte Adresse sein kann.

Rainer's Klause

Rainer’s Klause

Der Schriftsteller Joachim Lottmann, der große komisch-genaue Chronist unserer Zeit, ist regelmäßig Gast in Langhans‘ Frauen-Gemeinschaft gewesen. Er hat sich von ihm die Beichte abnehmen lassen, dazu musste Lottmann auf dem Boden rutschen, erzählt er, während Langhans ausgestreckt auf seiner Matratze lag und „in melodischer Sprechweise predigte“. Lottmann kann herrlich über Langhans giften: über seine Yin-und-Yang-Rhetorik, die über fünf Jahrzehnte hinweg konservierte Syntax, die flink abrufbereiten Wortgeschenke wie „Ekstaseerfahrung“, „Beziehungsarbeit“, „Projektion“. Na gut. Aber Lottmann sagt auch dies: „Langhans verurteilt niemanden. Er spricht niemals gegen jemanden. Ein bizarrer Typ – er ist wie Nitroglyzerin. Oder wie Fidel Castro und der späte Kinski. Und er steht heute genauso im Widerspruch zu allem Herrschenden wie damals.“

Ku-Damm 1967

Ku-Damm 1967

Nur dass Langhans eben die kriegerische Seite des Revolutionärs fehlt. Und, anders als vielen seiner Zeitgenossen, der nachgetragene Hass.
Man kann das schön nachprüfen, wenn man mit ihm über die Verfinsterungen mancher Kommunarden von damals redet. Über den inzwischen völkisch stramm gezogenen Horst Mahler, oder den in seinen lebenslangen Israelhass gesperrten Dieter Kunzelmann – man geht davon aus, dass Kunzelmanns Kampftruppe „Tupamaros West-Berlin“ 1969 am versuchten Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin beteiligt war. Kunzelmann, der erklärte Antisemit, Mahler, der verurteilte Neonazi – in Langhans‘ innerem Geschichtsbuch fehlen die abschließenden Wertungen. Langhans sagt lieber solche Sätze: „Mahler geht gedanklich immer einen Schritt weiter.“ Man muss das nicht abnicken, aber man kommt auch nicht richtig vorwärts, wenn man Langhans bittet, sich bitte ganz unmissverständlich zum sprachlich-politischen Reinheitsgebot zu bekennen. Man hat ihm vorgeworfen, Gespräche mit Rechtsextremen zu führen, sich im Diskursgefriemel mit rassistischen Studentenverbindungen zu verlieren. Rainer Langhans sieht einen bei solchen Vorhaltungen an, als würde man einer Sonnenfinsternis vorwerfen, dass sie die Welt dunkel macht: „Ich rede mit allen, so wie ich hier mit Ihnen rede.“
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Bevor er in das Newtopia-Camp zog, hatte Langhans vorgehabt, jedem der Kommunarden dort einen Laptop mitzubringen. Das wurde nicht erlaubt, aus privatfernsehrechtlichen Gründen. Und weil man beim Sender auch nicht so richtig verstanden hat, was Rainer Langhans den Leuten eigentlich sagen wollte. Nämlich das, was er im Münchner Café Max Pett sagt: „Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit gibt es eine große geistige Sphäre für alle – das Internet.“ Für Rainer Langhans hat sich mit Facebook und Instagram, hat sich in der High-Performer-Nerd-Gemeinschaft Silicon Valley die im Jahr 1969 leider streichholzartig abgebrannte Idee von der Kommune I endlich digital verwirklicht. Jetzt fragen die Körperbetonten: Aber nur digital?

etwas Dschungelcamp-Honorar für die Piraten

etwas Dschungelcamp-Honorar für die Piraten

„Der Körper“, kontert Langhans schon wieder, „ist das Kriegerische, es ist doch gut, dass man das alles nicht anfassen kann.“
Man muss aus allem mal raus, aus der Gemeinschaft, aus dem Körper und auch aus der weißen, weisen Langhans-Welt. Um sie von außen ein bisschen besser zu verstehen.

Ächzend joggt Uwe Timm durch den Englischen Garten. Dann kommt Rainer, wie ein Luftgeist
Am Rande des Englischen Gartens hat Uwe Timm eine herrliche Schreibwohnung mit Blick auf das satte Laubgrün. Uwe Timm war in den 60er-Jahren in München Mitglied beim SDS, dem linken Studentenbund, in dessen Berliner Sektion auch Rainer Langhans politisiert oder besser: sensibilisiert wurde. Timm hat immer wieder über diese Zeit geschrieben, mit dem Roman „Heißer Sommer“ fing es 1974 an, und viel später erinnerte er sich an seinen Kommilitonen Benno Ohnesorg in der Erzählung „Der Freund und der Fremde“.

Im Berlin von 2015 auf der Matratze mit Dandy Diary

Im Berlin von 2015 auf der Matratze mit Dandy Diary

Der Schriftsteller Timm hat immer eine Sympathie gehegt für die Matratzenlager-Gemeinschaften, die kunstperformativen Zusammenkünfte wie die Schwabinger Highfish-Kommune, die Haidhausener WG „Wacker Einstein“ – in der allerdings stürzte die Fröhlichkeit schon deutlich in schweigsame Untergrund-Finsternis ab, Rolf Heißler und Brigitte Mohnhaupt verschwanden von hier aus in die Militanz.

Protest im Schöneberger Rathaus against Teufel-Prozess 1967

Protest im Schöneberger Rathaus against Teufel-Prozess 1967

„Ich habe diese verspielten Kommunen immer sehr bewundert und geachtet“, sagt Timm: „Aber es war nicht meine Sache.“ Er hat geheiratet, trotz des kollektiven Spießervorwurfs. Und er hat gearbeitet, entgegen der Ausbeutungstheorie. Uwe Timm kann über diese Zeit reden, ohne die distanzierte Ironie des Arrivierten anknipsen zu müssen. Er weiß, dass diese Jahre der Grundstock seines literarischen Schaffens sind. Und vielleicht weiß er auch, dass seine Wachheit und Heiterkeit in dieser wachen und manchmal heiteren Zeit ihre Wurzel haben. Und Rainer Langhans? „Manchmal“, sagt Uwe Timm, „jogge ich durch den Englischen Garten, mühsam und schwitzend.

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Und dann schreitet Rainer Langhans ganz in Weiß gekleidet an mir vorbei. Schon dieser körperliche Unterschied sagt alles. Ich weiß nicht einmal, ob er mich kennt.“

Im Max Pett kommt jetzt der Gemischte Rohkostteller auf den Tisch, Langhans hat ihn bestellt. Gemüse, Salat mit Guacamole, Zucchiniröllchen, Leinsamen-Cracker. Rainer Langhans schließt die Augen, und weil man irritiert ist, beugt er sich vor und sagt sehr freundlich: „Ich bete kurz, das machen andere ja auch.“

Rainer hinter seinem indischen Meister 1972

Rainer hinter seinem indischen Meister 1972

Langhans, der Veganer, der keinen Alkohol trinkt und keinen Sex hat, weil der Körper Krieg ist. Der Mann, der mit der heißesten Frau der Revolte, mit Uschi Obermaier, die Highfish-Kommune in der Giselastraße gründete und sich dann bald von seiner Freundin wieder trennte. Mensch, warum denn?
„Ich fand es schrecklich, jeden Tag Sex haben zu müssen.“
Gut, und jetzt will man Rainer Langhans gerne in seinen Alltag folgen, möchte bitte dieses komplizierte Beziehungsgeflecht kennenlernen: die Frauen!

Irgendwann hatten wir immer wieder die neuesten Cams

Irgendwann hatten wir immer wieder die neuesten Cams

Langhans sagt, dass sich alle Harems-Menschen inzwischen in ihre eigenen Wohnungen zurückgezogen haben. Könnte man in diese Wohnungen. . .? Rainer Langhans holt sein Smartphone raus, regelt das, und schon sitzt man auf dem Fahrrad und fährt hinter dem luftigen Stadtradler her, über grüne Ampeln und über rote Ampeln nach Schwabing: „Ich mach‘ das immer so.“ Der Körper ist Krieg? Manche Sätze werden erst wahr, wenn man sie an der Realität misst.

In der Winzererstraße wohnt Jutta Winkelmann, Autorin, Filmemacherin, sie kennt Langhans seit über vierzig Jahren und hat mit ihm den Harem gegründet.

Jutta mit Rainer in Rishikesh 2013

Jutta mit Rainer in Rishikesh 2013

Jutta Winkelmann ist eine sehr schöne Frau, Mitte sechzig, und sie hat Krebs in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Ihr Arbeitszimmer: ein Futon auf dem Boden, auf dem man sich neben sie hocken kann. Ein Holztisch, auf dem ihr Computer steht. Ein zweiter Futon, auf dem Rainer Langhans sitzt und schweigt, während Jutta Winkelmann diese eine Geschichte erzählt, als sie die Krebs-Diagnose bekam und Rainer Langhans ihr sagte: „Was mit dir gerade passiert, ist ein großes Liebesgeschehen.“ Bitte?
„Ich wäre ihm fast an den Hals gesprungen“, sagt sie, „ein Liebesgeschehen! Der Krebs?“

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Erst hat sie gesagt: Der Mann, den ich liebe, ist ein Sadist. Dann hat sie verstanden, dass er ihr Mut machen will mit der Vorstellung, dass man nicht gegen etwas kämpfen kann, was aus einem selbst kommt. Jutta Winkelmann hat vielleicht nicht Frieden mit dem Tod geschlossen. Aber sie hat sich eine skeptische Art angeeignet, damit vertraut zu werden: „Es kann ja sein, dass noch was kommt, und wenn nicht, macht es auch nichts.“ Aber es sei doch schwer, dies alles zurückzulassen: den Sohn, die Schwester, und eben auch den Rainer.

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Jutta Winkelmann klickt eine Datei an, ihr letztes Buch, eine Art Graphic Novel über ihre Krankheit, die Perücke, das Tier mit der bösen Schere, die Röhre, in die sie sich alle paar Monate schieben lässt, um zu sehen, wie weit der Krebs inzwischen gekommen ist. Vierzig Seiten fehlen noch. Wenn sie nicht allzu heftige Schmerzen bekommt, wird sie das Buch dieser Tage wohl fertig kriegen.
Der Körper ist Krieg. Manche Sätze werden erst richtig wahr, wenn man sie an der Wirklichkeit misst. Es geht weiter.

Weiter durch Schwabing, in dessen Vorgärten es so schön fett grünt, und durch das man sich seltsamerweise immer noch etwas beschwingter bewegt als durch andere Viertel dieser Stadt. Vielleicht, weil es hier immer Zeiten gab, in denen Männer vom Schlag eines Rainer Langhans Achtung und Auskommen fanden: Erich Mühsam, Frank Wedekind, der frühe Lenin.
In der Adalbertstraße lebt die Zwillingsschwester von Jutta Winkelmann, Gisela Getty. Sie war viele Jahre mit John Paul Getty III, dem Enkel des legendären Tycoon Jean Paul Getty, verheiratet. Paul starb 2011, zwanzig Jahre lang saß er nach einem Schlaganfall im Rollstuhl.

Gisela heiratet Paul Getty III in Italien 1973

Gisela heiratet Paul Getty III in Italien 1973

Jetzt hat Gisela Getty hier in ihrer Küche gerade eine heftige Auseinandersetzung mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Bernhard von Guretzky, der sich von ihr getrennt hat wegen einer anderen Frau. Diese Frau stammt, sagt Gisela Getty, „aus einem ganz anderen Spektrum“, und Bernhard sei durch sie wieder in die alten bürgerlichen Muster zurückgefallen.
Da sitzt man nun an diesem großen Schwabinger Küchentisch, Obst in der Holzschale, Rainer Langhans schweigend links vor einem, und hört einfach zu: wie sich zwei Menschen, weit über sechzig, ihre Gefühle um die Ohren schlagen, sich Vorwürfe machen, ihr Leid eingestehen. Man kann das bizarr finden. Man kann es probehalber aber auch für würdevoller erachten als den kühlen Klick-mich-Liebesservice auf Elitepartner.de, respektive die klandestin abgeschickte Trennungs-SMS oder das endlose Twitter-Gepurzel, in dem Menschen, die man mal für cool hielt, wie liebessüchtige Kinder die Komplimente retweeten, die andere ihnen gerade gemacht haben.

Adelheid-, Theresien- und Agnesstraße: So radelt er durch lauter Frauennamen.

Bernhard links hinten: unter uns immer auf Abstand

Bernhard links hinten: unter uns immer auf Abstand

Bernhard von Guretzky ist Mathematiker, ein zurückhaltender Mann mit grauen, wirbelig halblangen Haaren. 1993 traf er auf Langhans und seine Kommune, verliebte sich in Gisela und bekam natürlich auch den Rainer dazu. „Ich war der Bürotyp“, sagt Guretzky. „Und das Credo der Leute um Rainer verstand ich so: Das sind die Menschen, die leidenschaftlich an sich selbst arbeiten.“ Das stand Guretzky nun auch bevor. Langhans sagt hier am Schwabinger Küchentisch: „Du hattest keine Sprache für deine Gefühle. Das musstest du erst lernen.“ Bernhard von Guretzky nickt. Er sagt, er habe sich Langhans manchmal auch nahe gefühlt. Aber es gab zu keiner Zeit ein Bündnis mit ihm gegen die Frauen. Beim Abschied will sich Bernhard von Guretzky zum Scherz den Gehenden anschließen. Aber Gisela Getty hält ihn – den Scherz mit halbem Ernst weiterspielend – zurück. Die Trennung ist noch nicht zu Ende analysiert.

Wieder mit dem Rad durch die Straßen, die, als wären sie für Rainer Langhans gemacht, Frauennamen tragen: Adelheid-, Agnes-, Theresienstraße. Langhans selbst wohnt in der Herzogstraße, er schließt die Tür auf, und schon steht man in diesem kargen weißen Raum, eine Matratze, ein großer Fernseher, ein Notebook, ein paar Bücher auf dem Boden; das Bildnis seines spirituellen Meisters lehnt an der Wand. „Mehr brauche ich nicht“, sagt er.

Rainer im Ashram von Chandigarh

Rainer im Ashram von Chandigarh

Die Miete kostet 360 Euro, etwas mehr als 200 Euro Rente bekommt Langhans aus seiner Zeit bei der Bundeswehr, „dafür, dass ich generalstabsmäßig zum Massenmord ausgebildet wurde“. Der Rest ergebe sich aus den Einnahmen aus seinen Fernsehauftritten, aber: Es gibt intime Kenner des Langhans-Zirkels, die von einem nicht unbeträchtlichen Vermögen in der Kommune sprechen – immerhin gehörte ja auch ein Getty-Erbe zumindest mittelbar zum Kreis. Wie auch immer.

Postkarte, ja so eine gibts wirklich

Postkarte, ja so eine gibts wirklich

Am kommenden Freitag wird Rainer Langhans 75 Jahre alt.
Er könnte den Tag gut mit Meditation verbringen, wie an den anderen Tagen auch seinen Körper kurz verlassen und später wieder zurückkommen.

Rainer Langhans (2)

Aber die Frauen! Aber die Frauen! Sie sind sich noch uneins, wie sie den Geburtstag des Mannes feiern wollen, in wessen Wohnung oder ganz groß? Mit Presse? Ohne Presse?
Vielleicht wird Rainer Langhans auch einfach nur mit seinem Rad durch das grüne Schwabing fahren, ganz in Weiß und mit einem Körper, dem auch im hohen Alter nichts zu fehlen scheint.
Nur eines fehlt ihm: das Kriegerische.

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