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Christa Ritter's Blog

Es kann nur schlimmer werden

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Montag 11. Februar

Also unser Gastgeber, ebenso ein von Kirpal Initiierter wie Balwinders Vater, heißt nicht Buri, sondern Prem. Ihr dürft, was die Rechtschreibung vieler Namen oder Begriffe angeht, bei mir nichts auf die Waagschale legen.  Ist das meine (auch in München) beginnende Alzheimer oder einfach das Gefühl, endlich im Alter wird mir alles schnurzpieps egaler. Nein, es ist eine Missachtung der Menschen, die diese Namen tragen, Dummerchen. Ich werde mich bemühen.

Heute war ein komischer Tag. Erstmal nur Steine ansehen: Wir fuhren in zwei Auto raus in Richtung Beas, dorthin, wo Baba Jaimal Singh Ende des vorvorigen Jahrhunderts lebte. Er war der Meister von Sawan Singh, der wiederum der Meister von Kirpal war. Hier in diesen Gegenden des Punjab lebten und lehrten also Meister höchster Ordnung, die auch Gottmenschen genannt werden. Spirituell die anspruchsvollste Gegend, so heißt es. Jaimals Haus ist auch heute noch ein sehr schlichtes Lehmhausmanavkendra 007fast ohne Fenster, wenn auch ein renoviertes. Das Grundstück davor wird pingelig sauber gehalten, etwas sehr Ungewöhnliches in diesem Land, wie ihr auch in der Ferne wisst. Hierher scheinen oft Pilger zu kommen, denn eine Satsanghalle wird noch immer genutzt.manavkendra 010manavkendra 003 Dann holperdiepolterten wir zum Ashram in Beas, wieder ein riesiges Steinklotzgelände, das vom Guru Gurvinder Singh militärisch straff regiert wird. Am Eingang wirst du durchgecheckt, musst jedes elektronische Gerät abgeben. Hinter dem Eingang beginnt das Ashram-Gelände: Wie mit Lineal gezogen sind die Asphaltstraßen angelegt, ebenso die Kasernenartigen Wohnhäuser der Schüler. Hier fängst du an zu frösteln, denn dieser angeblich spirituelle Ort wirkt wie die hässliche Phantasie kirchlicher Macht. Fast Kim Yong. Rainer hat recht, der Geist ist etwas Inneres, draußen in der Welt des Dualen, der Materie, kann er nur zum Gegenteil seiner Ursprungsidee pervertieren. Von hohen Gittern geschützt thront ein Hauptgebäude, das Sawan Singh zu seinen Zeiten, erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, bauen ließ. Wirkt irgendwie persisch, auch pompös. Das gesamte Ashram-Gelände ist riesig,  zehnmal größer als Kirpal Sagar, wir stürzen uns in die Kantine und das Essen ist superbillig und scheint allen zu schmecken. Seit vier Tagen habe ich aufgehört, regelmäßig zu essen. Verstopfung, durch Magnesium-Tabletten etwas besser geworden, belegte Zunge, belegte Mundhöhle, Dany ist schwer erkältet. Nach wie vor sind wir alle irgendwie lädiert. Von Anfang an war der Sex unserer Truppe: Fressen! Da gibt’s das beste Tandoori, hier das mussst du probieren, lechz, lechz. Völlen bis zum Gehtnichtmehr. Den Animator dafür spielt Severin, der auch schon wie ein Urang Utang aussieht und läuft. Auf der Rückfahrt fährt Prem uns Frauen noch bei einem guten Orthopäden vorbei. Vormittags hatten sich Brigitte und ich noch nach einer rasanten Fahrt auf dem Motorroller Röntgenaufnahmen machen lassen.

beim 1. Röntgen-Labor war kein Strom, so fanden wir dieses immerhin

beim 1. Röntgen-Labor war kein Strom, so fanden wir dieses immerhin

Brigitte’s Fuß ist immer noch geschwollen, der Bluterguss wandert langsam äußerst schmerzhaft die Wade hoch. Bei mir ist durch zu starke Belastung das Knie geschwollen, ich kann es nicht ganz durchdrücken. Jutta möchte ihre lädierte Rippe untersuchen lassen. Nach langem Warten sind wir endlich dran: Der Arzt ist richtig gut. Konzentriert, kein Wort zu viel. Mit ein paar Handgriffen hat er seine Diagnosen parat: Jutta sei, so wie sie mit ihrem Krebs umgeht, eine mutige Frau.manavkendra 012 Sie bekommt eine Stütz-Bandage.  Brigitte sollte ihre Zuckerwerte überprüfen (Diabetes!) und sollte eigentlich kaum mehr mit ihrem Fuß auftreten. Und bei mir ist nicht wieder der Miniskus lädiert, sondern die Kniescheibe. Mit regelmäßigen Übungen könne ich mich davon kurieren. Schwache Knochen, sagt er noch. Osteoporose?

Abends öffnet sich Prem, indem er anfängt, von seiner Meistererfahrung als kleiner Junge zu erzählen. Ihm fließen die Tränen, die Sehnsucht nah Kirpal bricht aus ihm und berührt wohl jeden von uns im Raum. Er erzählt viele Anekdoten und Geschichten von seinem Meister und beantwortet dann Juttas (und unsere) Frage: Gibt es derzeit einen kompetenten Meister und wenn ja, wo? Er kommt zu dir, wenn du innen rein geworden bist und das würde sehr viel Abweinen erfordern. Stolz, Ego, alles abschmelzen und sich dadurch endlich hingeben können. Nicht gerade meine einfachsten Übungen. Ich muss anfangen, denke ich, während ich in Prems nasse traurige Augen schaue, selbst, wenn es noch so auswegslos scheint. Möglichst bald anfangen, ein Tagebuch zu führen. Als tägliche Kontrolle des Gemüts. Ich müsste euch hier eigentlich über diesen Abend mit Prem mehr schreiben, denn es wurde ein langer und intensiver Abend über das vielleicht eigentliche Leben. Über den Sinn, den doch viele suchen. Solche Infos laufen aber doch über eine komplexere Wahrnehmung als über den schmalen Verstand: Jeder Satz wäre zu dürftig, um das auszudrücken, was zwischen uns ablief. Prem hat durch die Begegnung mit diesem Gottmenschen, durch die Einweihung, die größtmögliche Liebe erfahren. Er ist gesegnet. Prem meint, wir seien es immerhin auch ein bisschen, weil wir solchen Schülern begegnen dürfen und Rainer auch ein Eingeweihter ist. Die Meister-Kraft strahle auf die ganze Familie aus. Beim Insbettgehen juckte mich mein ganzer Körper wie verrückt: Flöhe? Die Krätze, meinte Jutta lapidar. Nachts wachte ich von Gesang auf. Durch die Stille der Nacht sang in einem nahen Tempel jemand seine Oden an das Göttliche. Wunderschön. Dazwischen ein fahrender Zug.

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