merah.de

Christa Ritter's Blog

Hinter’m Charlottenburger Schloß

| Keine Kommentare

Habe nach gefühlt langem Wintergrau in München eine Woche Wintergrau in Berlin hinter mir. Ich wollte mal ein bisschen Weltstädtisches und landete in einer hübschen Straße am Charlottenburger Schloss und dort in einem Puppenhaus. 80EC0BD5 Dort wohnte ich bei einer Freundin, die ich schon lange kenne. Sie ist aus Wien und etwas alt-wienerisch sieht auch ihre gemütliche Altbau-Wohnung aus. Hohe Bücherregale voller wichtiger Bücher, hübsche Tassen und Kannen, auch aus der Familie, lange Vorhänge und Buddhistisches (sie hat mehrmals Tibet bereist, sogar den Kailash umkreist). Viele Kerzen. Zwischen diesem Stofflichen saß ich oft in der neuen Gegenwelt, hinter meinem Notebook versunken, während sie manches Köstliche kochte und vor Weihnachten noch sehr viel nähen musste. Plötzlich tagelang dem Verflossenen so nah: Irgendwas geriet ins Knirschen. Mich erwischte eine Erkältung. Tiefe Stimme, der Hals tat weh, die Bronchien. Ich huste dir was oder ich kann dich nicht riechen. Gezanke und dann doch schnell wieder  Freundliches.

Vor Berlin war Bremen: Bundesparteitag der Piraten. Alle nach dem Wahlabsturz in einer Depression: auch irgendwie schön. Langsam, ruhiger, melancholisch saßen die Nerds hinter ihren Computern oder flanierten fast in Zeitlupe durch die Halle, ängstlich auch, was die nächsten Bewegungen betraf. PUBLISHED by catsmob.comDie Welt da draußen ist eine feindliche? Obwohl dieses Gefühl auch in mir trotz mancher Bemühungen noch immer wabert, möchte ich es für die Piratenpolitik doch offensiver sehen: Das Private wird politisch. Verstehen sie aber bisher nicht. Auch ich nicht genügend? Und auch noch ihr verrückter Widerspruch: Sie traten an für Open Source, Big & Small Data, für Transparenz und Sharing. Plötzlich gibt es Snowdon und die NSAs dieser Welt und sie fordern die Enge der alten Welt. Mauern hoch, bürgerliche Versteckspiele, Transparenz nur bei Institutionen. Ich verstehe nicht, dass ihnen der Widerspruch nicht auffällt. Bisher kein Thema, auch nicht n Bremen. Nach diesen zwei Tagen in der Lähmung fuhr ich mit einer Piratin des Inner Circle nach Berlin und wir verhedderten uns zwischen den verschiedenen Abfahrten nach Dortmund oder Hamburg, um doch endlich nach Berlin einzubiegen. Vielleicht wollten wir uns nur etwas länger kennenlernen. Cut.

Rainer kam für einen Dreh nach Berlin. Wir trafen gemeinsam auch noch Philosophen des Internets. Oder müsste ich diese Nachdenklicheren aus Neuland anders einstufen? Angsthasen waren jedenfalls auch darunter. Wie in Bremen hieß ihr Song: Datenraub, Zivilgesellschaft wird aufgelöst, Transparenz zurückschrauben und Ähnliches. Dabei düstere Blicke. Nee, das bringt mich nicht weiter, dachte ich. Zurück wozu? Wo wir doch schon so viel offen tauschen, auch mit völlig Fremden, eigentlich mit der ganzen Welt. Will ich behalten, fangs doch gerade erst an und freu mich schon manchmal darüber. 1379589_10152086914523185_1271460689_nDie Geheimdienste und selbst unsere Verfassung stammen aus einer alten Welt der Angst und Gewalt, des ständig wachsenden Bruttosozialprodukts:  bitte nicht weiter machen, nicht erneut aufwerten. Aber immerhin zeigten dann doch Zwei von ihnen, wie wildes Denken und en offener Blick den Geist beflügeln. Olli und Christina strahlten zuversichtlich, ich glaube, weil sie in sich einen Link zur Weite spüren, ihn sogar gern ausbauen, täglich, ein wenig, zumindest so weit es gerade geht. Und ihn mit anderen wie uns teilen. Das Private usw. Ich war auch gern mit Rainer unterwegs. Kommt immer noch nicht so oft bei mir vor. Verrückt, nicht? Nach bald 40 Jahren… Frauen!

Unterschiedlichste Inputs also, eigentlich alles sehr komplex. Und dann doch diese Erkältung. Wie früher, wenn ich meine Mutter besucht hatte. Eine Altlast hatte sich auch diesmal wieder gemeldet.  Jetzt saß vor meinem Netbook mit dickem Schal um den Hals, versuchte ich mit Salzbädern und Schwitzen dieser Mater zu entkommen. Dabei tat die Freundin sehr viel für mich, auf ihre Weise. Vor ein paar Tagen sprach sie auf meinen AB: Ich glaube, du magst Frauen nicht. Hm, da ist was dran, dachte ich nach. Ich gehöre zu dieser ersten Generation, die ALLES kündigte, was mir diese Welt so hässlich erscheinen ließ. Mein Motto war damals sehr populär: So wie meine Mutter, so will ich nie werden. Was war meine Alternative? Erstmal viel NEIN. Also keine Alternative, während ich sie doch lebte. Nicht genug? Mater = Materie = Materielles. Dem scheine ich nicht so einfach zu entkommen. Ich lausche: Es ist ein langer Prozess, stupid.

 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


Zur Werkzeugleiste springen