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Christa Ritter's Blog

Derzeit Jubiläum: 50 Jahre Selfies

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Wir alle folgen unseren Spuren durch das Leben eher stolpernd, also unbewusst. Vor allem, seit wir Autoritäten und vorgestanzte Modelle wie die klassische Ehe oder einen geradlinigen Beruf in den Sechziger Jahren kündigten. Seitdem gilt Selbsterfindung. Selfies. Und wozu diese Bemühung? Denn eine Bemühung ist es schon, diese Schritte in das Unbekannte zu unternehmen. Weil wir nicht mehr einer „von oben“ vorgegebene Abwicklung von Geburt bis Tod folgen. Wir leben selbstbestimmt, so „unser Gefühl“, versuchen uns ständig zu verbessern, zu lernen, nach dem Glück zu suchen. Was ist Glück? Ich vermute, es ist Liebe. Sich selbst zu erkennen und damit auch von anderen anerkannt zu werden. Anfangs, wenn man noch sehr jung ist, folgt man heute meist den Spuren der Eltern, um dann diese ganz einzigartige Spur meines ganz persönlichen Lebens zu entdecken. Inzwischen höre ich öfter: Ich lasse mich nicht verbiegen, muss mich ausprobieren, will nicht abhängig sein von einem Mann, einem Boss – oder umgekehrt, mich der Manipulation einer Frau unterwerfen.

Dieser Weg ist ein ständiges Jonglieren. Vorn und wieder zurück. Und daher dauert es lang, auch nur ein paar Zentimeter zu bewältigen. Der Weg dauert bis man stirbt. Dieser entschiedene Impuls zur Selbstgestaltung. Vor allem deutlich unter den Jüngeren zu sehen. Und dafür nutzen sie das Internet, teilen dort ihre Daten, weil sie vermutlich „wissen“, dass jeder Austausch ihrer privatesten Belange sie weiter voranbringt, immer näher zu mehr Freundlichkeit, letztlich sogar Liebe. So sind sie dabei, die Welt ständig zu verbessern. Ich versuche das auch, aber scheitere seit ich in den Sechzigern aufgebrochen bin, scheitere also ständig und dann geht’s mir erstmal wieder schlecht, weil ich dem Gescheiterten hinterher jammere und nicht sehen kann, dass es für mich bei diesem Scheitern-Schritt genau darum ging, wieder ein kleinstes Stückchen meiner eigenen Lieblosigkeit zu erkennen und dadurch zu verlassen und hoffentlich zu einem besseren Menschen zu wachsen. Ich könnte mich also über jede „Ent-Täuschung“ freuen. Viel verlangt. Kann ich gar nicht. Erst viel später, meist sehr viel später, scheint mein System sich so zu ordnen, dass es sich ein wenig dankbar streckt. Wieder nach vorn. Also ein Schritt weiter und zwei zurück? Da muss ich kurz lachen. Menschen sind ganz schön verrückt.

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