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Christa Ritter's Blog

Oh, Sucherin, das gabs ja noch nie!

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Ich habe als junge Frau lange darunter gelitten, dass ich mich leer fühlte, mich nicht fühlte. Damals habe ich das versteckt. Meine Extraversion genutzt. Dieses Gefühl irritierte und bedrohte mich, versperrte mir letztlich die große Welt, zu der ich doch gehören wollte. Und auch wieder nicht. Ich erlebte sie als lieblos, irgendwie verkehrt. Kriegs-Nachkriegs-Trauma? Die Menschen blieben mir fremd: Verachtung zutiefst, der Menschen, meiner selbst. Damit musste ich irgendwann gegen die Wand fahren. Ihr ahnt: Alles unbewusst, Schönrederei. ich habe mich selbst in diesen Sechzigern und Siebzigern nicht frauenbewegt gecheckt. Wie alle Frauen: Opfer, die anderen, die Männer sind schuld. Meine Suche nach Selbstbezug, Selbstverantwortung, Selbstentdeckung blieb oberflächlich. Mit Guru, Drogen, Experimenten. Letztlich taperte ich weiter durch die Gegend, blieb ahnungslos, wie andere Frauen um mich, die aber schließlich irgendwie heirateten und sich vielleicht sogar progressiv als „neue Frau“ binden konnten. Als „Paarung“ meine innere Leere zu füllen konnte und wollte ich nicht. Wie die Weigerung und der bedrohliche Untergrund dahinter aussehen, diese Arbeit fing erst mit dem Harem an.
Selbst die Frauenbewegung zuvor hatte mich also nicht klären können. Heute sind die jungen Frauen Fridays for Future und auch sonst ganz anders, weil durch das Internet sozialisiert. Daher entstanden viele Modelle, in die sie inzwischen identitätsmäßig starten. Beneidenswert, irgendwie und durch den Aufbruch damals entstanden. Ich finde, so schön: Ausprobieren durch weniger Körperlichkeit, das Internet mit vielen, eine riesen-Community.
Damals zu Anfängen des Harem-Labors taumelte ich zwischen Entsetzen bis Begeisterung, entdeckte Schritt um Schritt wie verrückt ich, die anderen Frauen, waren. Angetrieben von einem Ex-Kommunarden, der nie ein Adam sein konnte. Er bot uns Frauen also mehr an. Den totalen Bruch mit dem System. Die durch Eltern und Schule gelernte Frau, die ich nie sein wollte, zeigte sich dann aber doch auch in mir wie ein vergiftendes Gespenst. 2000 Jahre Rippe, das schmilzt nicht von heute auf morgen. Im Gegenteil: Es droht, behauptet seine Macht, sobald du einen Schritt raus wagst.
Der Standort Eva an der Seite von Adam, wie noch heute von Älteren patriarchal behauptet, mit etwas verändertem Lack an der Oberfläche, fiel von mir in unseren heftigsten Konfrontationen scheinbar ab. Ich war ihn für Momente, schon immer verweigernd, losgeworden. Großartig, das Puppenhaus weit weg! Pustekuchen. Nach diesen Phasen der „Erleuchtung“ tanzten in mir zuvor nie bemerkter Dämonen hässlichster Weiblichkeit wie uneinnehmbar: Entsetzt sah ich all das, weshalb ich vermutlich lieber Vater- als Muttertochter geworden war. Meine Trägheit, sah wie unkreativ und unterworfen, wie manipulierend und konservativ ich war. Auch wir Frauen miteinander sprachlos, weil wir nur die patriarchal geformte Sprache gelernt hatten. Sowieso ertrugen wir einander überhaupt nicht. Weil jede sich selbst nicht ertrug? Wir rivalisierten um Rainer, unterwarfen uns ihm, dann wieder Krieg: Du bist schuld, ich habe Angst vor dir.
Ohne jeden Schutz aus der Sicherheit der Mann-Frau-Rolle, der Sicherheit des toxischen Patriarchats, hatte ich Angst nicht geliebt zu werden, sogar frauenmäßig für nothing, hatte Angst zu versagen, letztlich vor allem. Meine Gefühle zu zeigen, meine Gier und Geltungssucht. Unter uns kaum die Fähigkeit sich mal nackt zu zeigen, zu verhandeln. Unser Experiment, mein neuer Weg, wurde zu einem hammermühsamen Trip. Die Bilanz dieser Aufbruchszeit war lange grauenhaft, die übliche Eva-Schattenprägung unüberwindbar. Dann wieder, selten zwar, doch die Kehrtwende: Mein leben war tatsächlich irre geworden, irre begeisternd: ein Hauch von Morgenluft, Freiheitsgefühle, beinahe Grenzenloses zeigte sich. Ähnlich wie ganz kurz 1968, für mich ein Gefühl fantastischer Verwirrung in etwas Unbekanntes hinein.
Irgendwann war dann Schluss damit. In den TV-Medien kam unser Kommune-Experiment hysterisch rüber, damals vielleicht zu schräg. Avantgarde, nörgelte ich. Unsere Erfindung einer neuen Welt selbstbezogener Frauen begann sich für jede von uns ins ganz Persönliche zu verengen. Diese Zeit intimer Suche, der persönliche Weg jeder von uns in ihr eigenes Innere, in dieses völlige Unbekannte, das läuft bis heute und vermutlich bis an mein Lebensende. In den letzten Jahren half mir das Internet, wie hier heute auch. Versuche der Verständigung mit euch, noch verzerrte Botschaften, oft missverständlich. Wir alle werden jetzt durch Corona lernen, mehr lernen. Da erreicht uns ein pandemischer Warnschuss, vor allem wohl endlich eine Chance, unser aller Leben post-gender oder post-kapitalistisch neu zu entdecken.

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