merah.de

Christa Ritter's Blog

22. Dezember 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Oh, Sucherin, das gabs ja noch nie!

Ich habe als junge Frau lange darunter gelitten, dass ich mich leer fühlte, mich nicht fühlte. Damals habe ich das versteckt. Meine Extraversion genutzt. Dieses Gefühl irritierte und bedrohte mich, versperrte mir letztlich die große Welt, zu der ich doch gehören wollte. Und auch wieder nicht. Ich erlebte sie als lieblos, irgendwie verkehrt. Kriegs-Nachkriegs-Trauma? Die Menschen blieben mir fremd: Verachtung zutiefst, der Menschen, meiner selbst. Damit musste ich irgendwann gegen die Wand fahren. Ihr ahnt: Alles unbewusst, Schönrederei. ich habe mich selbst in diesen Sechzigern und Siebzigern nicht frauenbewegt gecheckt. Wie alle Frauen: Opfer, die anderen, die Männer sind schuld. Meine Suche nach Selbstbezug, Selbstverantwortung, Selbstentdeckung blieb oberflächlich. Mit Guru, Drogen, Experimenten. Letztlich taperte ich weiter durch die Gegend, blieb ahnungslos, wie andere Frauen um mich, die aber schließlich irgendwie heirateten und sich vielleicht sogar progressiv als „neue Frau“ binden konnten. Als „Paarung“ meine innere Leere zu füllen konnte und wollte ich nicht. Wie die Weigerung und der bedrohliche Untergrund dahinter aussehen, diese Arbeit fing erst mit dem Harem an.
Selbst die Frauenbewegung zuvor hatte mich also nicht klären können. Heute sind die jungen Frauen Fridays for Future und auch sonst ganz anders, weil durch das Internet sozialisiert. Daher entstanden viele Modelle, in die sie inzwischen identitätsmäßig starten. Beneidenswert, irgendwie und durch den Aufbruch damals entstanden. Ich finde, so schön: Ausprobieren durch weniger Körperlichkeit, das Internet mit vielen, eine riesen-Community.
Damals zu Anfängen des Harem-Labors taumelte ich zwischen Entsetzen bis Begeisterung, entdeckte Schritt um Schritt wie verrückt ich, die anderen Frauen, waren. Angetrieben von einem Ex-Kommunarden, der nie ein Adam sein konnte. Er bot uns Frauen also mehr an. Den totalen Bruch mit dem System. Die durch Eltern und Schule gelernte Frau, die ich nie sein wollte, zeigte sich dann aber doch auch in mir wie ein vergiftendes Gespenst. 2000 Jahre Rippe, das schmilzt nicht von heute auf morgen. Im Gegenteil: Es droht, behauptet seine Macht, sobald du einen Schritt raus wagst.
Der Standort Eva an der Seite von Adam, wie noch heute von Älteren patriarchal behauptet, mit etwas verändertem Lack an der Oberfläche, fiel von mir in unseren heftigsten Konfrontationen scheinbar ab. Ich war ihn für Momente, schon immer verweigernd, losgeworden. Großartig, das Puppenhaus weit weg! Pustekuchen. Nach diesen Phasen der „Erleuchtung“ tanzten in mir zuvor nie bemerkter Dämonen hässlichster Weiblichkeit wie uneinnehmbar: Entsetzt sah ich all das, weshalb ich vermutlich lieber Vater- als Muttertochter geworden war. Meine Trägheit, sah wie unkreativ und unterworfen, wie manipulierend und konservativ ich war. Auch wir Frauen miteinander sprachlos, weil wir nur die patriarchal geformte Sprache gelernt hatten. Sowieso ertrugen wir einander überhaupt nicht. Weil jede sich selbst nicht ertrug? Wir rivalisierten um Rainer, unterwarfen uns ihm, dann wieder Krieg: Du bist schuld, ich habe Angst vor dir.
Ohne jeden Schutz aus der Sicherheit der Mann-Frau-Rolle, der Sicherheit des toxischen Patriarchats, hatte ich Angst nicht geliebt zu werden, sogar frauenmäßig für nothing, hatte Angst zu versagen, letztlich vor allem. Meine Gefühle zu zeigen, meine Gier und Geltungssucht. Unter uns kaum die Fähigkeit sich mal nackt zu zeigen, zu verhandeln. Unser Experiment, mein neuer Weg, wurde zu einem hammermühsamen Trip. Die Bilanz dieser Aufbruchszeit war lange grauenhaft, die übliche Eva-Schattenprägung unüberwindbar. Dann wieder, selten zwar, doch die Kehrtwende: Mein leben war tatsächlich irre geworden, irre begeisternd: ein Hauch von Morgenluft, Freiheitsgefühle, beinahe Grenzenloses zeigte sich. Ähnlich wie ganz kurz 1968, für mich ein Gefühl fantastischer Verwirrung in etwas Unbekanntes hinein.
Irgendwann war dann Schluss damit. In den TV-Medien kam unser Kommune-Experiment hysterisch rüber, damals vielleicht zu schräg. Avantgarde, nörgelte ich. Unsere Erfindung einer neuen Welt selbstbezogener Frauen begann sich für jede von uns ins ganz Persönliche zu verengen. Diese Zeit intimer Suche, der persönliche Weg jeder von uns in ihr eigenes Innere, in dieses völlige Unbekannte, das läuft bis heute und vermutlich bis an mein Lebensende. In den letzten Jahren half mir das Internet, wie hier heute auch. Versuche der Verständigung mit euch, noch verzerrte Botschaften, oft missverständlich. Wir alle werden jetzt durch Corona lernen, mehr lernen. Da erreicht uns ein pandemischer Warnschuss, vor allem wohl endlich eine Chance, unser aller Leben post-gender oder post-kapitalistisch neu zu entdecken.

11. Dezember 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Das Virus ist unsere Rettung

Ich sehe es bei mir, ich lese es auch in den Facebook-Kommentaren: Jeder spürt in diesen Zeiten eine Veränderung. Ja, die alte Welt gibt es nicht mehr, kein zurück, niemals. Das Unbekannte ist bisher nur sehr fein zu spüren. Manche sind genervt, andere leiden still. Die meisten Kommentare versuchen mir mit ihren Tipps aus der alten Welt gute Ratschläge zu geben. Nach dem Motto: „Geh mehr an die frische Luft“ oder „lies mal wieder“ oder gar „Wirf den Langhans aus deinem Haus“. Aus Angst? Meine Wutbürgerei im letzten Post ist auch Angst. Alles so bunt hier. Anders. Hilfe! Ich habe aber nicht von etwas geschrieben, das eben mal mit „Wohlfühl“-Aktionen oder psychologischem Tiefgrund in Schach gehalten werden kann. Reicht alles nicht mehr. Es ist viel schlimmer! Und das könnte gut so sein, eigentlich natürlich wunderbar. Corona verschiebt etwas in uns, führt in etwas völlig Unbekanntes.
Und ja, ich behaupte auch, dass ich aus meiner persönlichen Notlage damit schon lange angefangen habe. Der Harem, diese verrückte Truppe, machte es wie Corona: Rückzug nach innen, Konsum-Stopp, Vereinzelung, kein Fleisch mehr, Karriere aufgegeben/Job-Center, ab und zu mit Abstand treffen. Wer bin ich, wenn ich die Eva in mir kündige? Das machte was mit mir, mit jeder von uns, macht heute was mit den Menschen. Was das macht, ist für mich auch nach der langen Zeit nur schwer zu beschreiben. Auf jeden Fall, spüre ich, ist es eine Abkehr von den Dingen, Ideen, Ego-Fortschritt außen, unserer bisherigen Körperwelt. Damit wäre dieses merkwürdig diffuse Geschehen auch ein Abschied von der Herrschaft des Äußeren, des Verstandes, der hier im Westen so dominant war und noch immer ist. Abschied auch von äußeren Kriegen: Sie wandern nach innen (auch eine Harems-Erfahrung).
Immer wieder versuche ich, mit mir selbst über diese „Erweiterung“ zu sprechen. Dann passiert es leicht, dass – wie auf meinem letzten Post zu lesen – das Alte, mein geliebter Verstand, dazwischen fuhrwerkt. Aus Angst: Hiergeblieben, droht die Große Mutter! Dann jammert die Opferfrau, ergibt sich schließlich der Depression. Aufstehen und Krönchen rücken: Weiter! Das Aufstehen geht bei mir inzwischen schon schneller, ja, notwendigerweise in tausenden Schritten durch die Nacht meiner scheinbar unverrückbaren Verklebung mit dieser Materie. Vorerst noch gefühlt als ein Schritt vor, zwei zurück. But there is light. Verwirrend. So werden Männer und auch Frauen zu Menschen? Ja! Das Virus ist unsere Rettung, es wird bleiben, bis es nicht mehr anschieben muß. Geht es überhaupt ohne Krankheit voran? Werde ich herausfinden. Ihr auch.

 

11. Dezember 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Alle, weltweit – sogar die Frauen!

Heute würde ich am liebsten meinen Kopf gegen die Wand hauen. Immer wieder schreiend wutbürgern. Nichts geht, nichts weiß ich, nichts klappt, nicht mal Tischtennisspielen. Hab ich vormittags versucht, sogar in der Sonne. Heute halte ich verdammt nochmal meinen Lockdown nicht aus. Was ist in diesen neuen Zeiten mit mir los, einer, die schon vor über 40 Jahren den Lockdown mit anderen erfand. Fühlte sich gut an, dieser Rückzug auf eine Matratze, nicht viel mehr in einem kleinen Apartment.
Eigentlich habe ich den Eintritt ins Patriarchale schon als Kind vermieden. Nur ein bisschen Vatertochter, toxisch genug. Entsprechend erst Abitur geschmissen, dann in Beziehungen und Karriere nur so getan als ob, irgendwann, natürlich depressiv, nach außen lächeln. Scheiße, nicht wahr? Und doch hervorragend, so fühle ich heutzutage und inzwischen manchmal, wenn ich mich ein bisschen nach Innen bewege. Mehr gelingt mir bisher eh nicht: super-kleines Bisschen, sicher mehr Ahnung als sonst was. Wer von euch ist auch in solchen „Märchen“ unterwegs? Corona sagt: alle, weltweit. Alles für jeden noch einsames Gelände. Aber dort schimmert etwas von authentisch, von außerhalb jeder Norm. Denn die gehört zur Enge des Verstandes, der patriarchal regiert und gerade durch diese Pandemie in den Abgrund stürzt. Meckert nicht über etwas viel Theorie, hier. Habt ja recht, kann nicht anders. Ich stürze also heute mal wieder besonders: In ein veraltetes Zurück. Heißt auch ganz konkret: Jammern auf höchstem Niveau und dabei brezelt sich wieder der „Löwe“ in mir auf. Animus, Kopfstein. Dahinter geht’s mir also eigentlich gut? Es geht mir „anders“. Euch auch? Also weiter so und hoffentlich immer öfter mal am Limit. Maikäfer flieg!

11. Dezember 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Alles vorbei dank Corona?

Wir leben in einer pandemischen Krise, in der sich die alte Welt auflöst. Jedenfalls habe ich dieses Gefühl. War schon mal ähnlich vor über 40 Jahren, als ich mich mit Rainer und den Frauen zusammentat. Als weibliche Kommune, die sich den Irrsinn vorstellte, dass auch Frauen ganz anders sein könnten, als wir es bis dahin wussten. Außenseiter wurden wir. Jetzt fühlt sich das anders an. Eben pandemisch. Hoffentlich gelingt es: Dass wir alle aus den alten Rollen kippen.
Frauen ermächtigten sich bisher nie. Wir wissen nicht, wer wir sind. Was will die Frau? Diese Frage stellten bisher nur Männer. Oder: Das Rätsel Frau. Wir blieben im Blick auf den Mann verhaftet. Eva halt, aus seiner Rippe. Herbe Nachricht, ich weiß. Wir wurden höchstens von Männern ermächtigt. Die Königin, die Prinzessin, die Mutter, Geliebte, Ehefrau. All diese Rollen entstanden im Patriarchat. Sogar die Idee der Gleichberechtigung in Adams toxischem System. Oder der Feminismus. Alles vorbei dank Corona?
Wir werden sehen. Trotz des damaligen Anfangs spüre ich durch die Krise einen Schub. Als löse sich gerade etwas Selbstverständliches. Wer bin ich wirklich? Eine Antwort bisher nirgendwo. Dauert weiter, abenteuerlich.

11. Dezember 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Feminismus oder wo sonst sind die Frauen?

Ich war Gast in einem Talk zum Thema „Feminismus oder wo sonst sind die Frauen?“ im „Eigenleben Festival“, gemeinsam mit Lena Schneck, mitte 20, Studentin un d schwanger: Nach den Fragen an Lena und mich, als die Kameras noch liefen, entbrannte eine heftige Diskussion unter den Corona-reduzierten Gästen, jungen und älteren Frauen, zwei Männern. Die erste Frage ging an mich, empört: Wie kannst du einem Langhans hinterherlaufen! Ja, wie kann frau im Aufbruch? Irritation berechtigt: Schließlich hat der Feminismus inzwischen die zweite Hälfte der Welt zu „alten weißen Männern“ erklärt. Vor Corona feierte dieser Feminismus ziemlich selbstzufrieden solchen Sexismus. Unwidersprochen, ohne bisher mal eine Frage der Eigenverantwortung zuzulassen. Einmal Rippe, ewig Rippe?
Auch ich litt einmal an der „Rippe“, wollte nie Eva werden, sondern selbst auf den Thron. In a man’s world? In meinen jüngeren Jahren keine Chance. In Rainer traf ich endlich einen Mann, einen „Verrückten“, den diese Welt noch nie interessierte. Selbst als Mann konnte er die nötigen Normen von Konkurrenz und Leistung nicht erfüllen. Erst heute weiß er: Für einen Autisten unmöglich. Dann sein großes Glück: Kommune I und eine andere Realität. Kein Geschlechterbesitz, keine Ausbeutung von jedem gegen jeden. Stattdessen allgemeine Zärtlichkeit. So also könnte es gehen? Weder Besitz an Frau, noch an irgendeiner materiellen Macht. Ich erkannte in ihm diesen neuen Adam, der auf einem Weg war. Ohne die falschen Privilegien im Körperlichen, der Mater immer weniger zu dienen. Diese Vision schien mir die einzige Möglichkeit. Ich ahnte sie als meine Rettung.
Für mich als junge Feministin, die damals im Mann einen Feind, meinen Unterdrücker sah, war die Vision der Selbstermächtigung erstmal ein Skandal. Ich war schließlich meine „Macht“ als Opfer gewohnt, diese Beschuldigungen, das Bequeme, die Projektion meines eigenen Schattens. Aber dann überwog seine Vision als meine Art „Erleuchtung“. In Rainer gibt es jemanden, der mich so herausfordert, wie ich mich selbst erstmal nicht zu trauen wage. Der mich immer wieder in seiner Spiegelung darauf verweist, wie wenig ich von mir weiß, dass es eine größere Realität des Inneren gibt: Greif nach den Sternen! Nur dass es hier nie um äußere Macht, Berühmtsein oder Profit geht, sondern, ihr ahnt es, um etwas Tieferes: „allgemeine Zärtlichkeit“. Davon hatte in den späten Sechzigern auch schon mal kurz Uschi Obermaier profitiert. Später dann, zu Anfang des Harems also entschied auch ich mich: Her mit unbequemen Hausaufgaben, die wir „Schattenarbeit“ nannten, eine geistige Kommune für jede von uns fünf Weibern.
Mein Einverständnis mit mir selbst, diesen mühsamen Weg einzuschlagen, aus einer Opfer-Feministin eine echte, eine eigenwillige zu werden, muss ich mir seitdem erarbeiten. Darin ist tatsächlich Rainer für mich ein Wegbereiter, der mich ständig inspiriert. Jetziger Status: Zwiespalt. Immerhin! Der bedeutet: mit Zuversicht diesem Weg ins Unbekannte weiterhin zu vertrauen. Dann wieder dunkelste Wolken: Ich bin auf Rainer und die Frauen reingefallen. Nichts geht: Eine Frau wird sowieso nie in geistigere Gefilde aufsteigen. Wann hat es sowas je gegeben? Frau hängt an Beauty und Klunkern, sie hängt damit an der Rippe. Wie ich mit Rainer! Schallt es dann auch in mir.
Dieser Zwiespalt ist für mich, ihr werdet‘s kaum glauben, sogar ein Fortschritt, verrückt nicht? Aber nach meiner langen schimmerlosen Zeit einer Opfer-Feministin ist Zwiespalt ein Lichtblick: Ich bin auf dem Weg! Eine Frau versucht etwas anderes. Ein weiblicher Mensch zu werden, selbst, wenn ich dazu einen Rainer an meiner Seite brauche. Eine Freundin folgt einem indischen Guru, eine andere ihrem Professor, noch eine inspiriert sich unter Aktivisten. Der Wege sind inzwischen viele. Weiter als die Rippe! Bisher häufig unbewusst: Deshalb das engagierte Geschrei bei dieser Diskussion. Das dauerte eine ganze Stunde: Auch hier so viel Zwiespalt. Und wenn wir nach Hause gehen, nimmt jede ihr Handy aus der Tasche und lauscht ins Netz, in diese Stille. Erweiterte Realitäten, ansatzweise.

27. September 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Die Königin muss abtreten!

Das Virus kommt mir wie ein Deja-Vu vor. Den Lockdown schon mal erlebt, damals vor über 40 Jahren. Im Genie-Wahn einer „Königin“ war ich total daneben: Als Regisseurin wollte ich den Oscar gewinnen. Macht, Gewalt, Krieg. Ich saß also in meinem Faschismus fest: Draußen Konkurrenz, Leistung, Gewinner-Allüre mit verbindlichem Lächeln, der Lüge der Frau, zuhause dagegen verloren und depressiv. Ich wollte aber die Not nicht sehen, mein unausweichliches Selbstmordprogramm. Dann plötzlich der Einschlag. Ich begegnete meinem höheren Bewusstsein in Person von Rainer. Es war wohl liebevoll, nahm mich an die Hand: Nur auf dem Weg nach innen wirst du dich retten. So vermittelte es mir Rainer als Botschafter, ein Mensch, der sich draußen schon immer falsch fühlte.

 

Er hatte recht, ahnte ich. Vier weitere Frauen ahnten ebenso: Die vom patriarchalen System gepemperte „Königin“ muss der Heilung wegen vom Thron runter, keine Gleichberechtigung mit dem „König“ (dem weißen, alten Mann). Du bleibst Teil seines toxischen Systems, das immer auch schon deins war. Die bessere Welt begann im Rückzug. Wie heute durch Corona. Hieß bei uns totale Reduktion im Konsumistischen, der selbstmörderischen Materie: Im Nötigsten wohnen und sich kleiden, fasten und danach vegetarisch essen, also kein Alkohol, keine Drogen, kein Tabak. Krasser Umbau. Dafür ins höhere Bewusstsein: Das Unbekannte zulassen, Schritt um Schritt aus dem Alltagsbewusstsein der (bei mir) verblödeten Nummer einer toxischen Feministin. Dieses unbekannte Geistige besonders durch Übung in Meditation einladen. Zunächst aber als Social Distancing.

 

Es sieht so aus: Nur auf diesem Weg nach Innen entkommt der tierische, gewalttätige Mensch seinem Selbstmord. Da sind wir heute alle gefragt. Dafür haben wir uns Corona besorgt. Das Virus wird uns von jetzt an in diese bessere, geistige Welt tragen. Dafür versuche ich schon eine Weile, das Internet als Hilfstool zu nutzen. Denn ich habe keine Ahnung vom Inneren, quäle mich erfolglos zur Meditation. Der Umbau ist ein mühsames Sterben aus dem alten Programm der Gewalt. Weiß jedoch nichts Besseres und bin inzwischen manchmal sogar dankbar, dass es wenigstens diesen Hoffnungsschimmer gibt. Wenigstens den, nur den.

7. September 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Selbstentwicklung als Kunst

Vielleicht habt ihr gestern im ZDF „Aspekte“ gesehen. Lisa Eckart, diese junge Kabarettistin aus Austria, kurz-blond und wieder in Super-Versace, diesmal mit kunstfellartigen Bordüren die Schultern entlang. Sie redet selbst im Interview eigenartig verschroben, wie aus ungeheizten Schlossgemächern. Dabei blitzt sie und ich komme schwer mit. In jedem Satz ohne Punkt und Komma sind zwei neue Gedanken. Irgendwie. Und sie verzieht nie ihr fast starres Gesicht, während sie gestern mit Moderator Jo Schück sprach, völlig unaufgeregt: „Ich beschäftige mich weder mit Introspektion, noch mit irgendwelcher Psychoanalyse, was mein Selbst betrifft. Ich begegne mir äußerst selten.“ Wie, was? Und weiter: „Kunst ist Selbstentwicklung statt Selbstverwirklichung, die ist ganz weit weg vom Transzendentalen entfernt, das die Kunst eigentlich bieten sollte.“ Verstanden? Nochmal lesen. Also unsere derzeit so beliebten Egospielchen, die das große Ganze vergessen, übersteigt diese tollkühne Frau. Gemerkt habe ich mir noch: „…weg von dieser Ich-Verseuchtheit, sondern etwas zu schaffen, was gerade davon weggeht. Was einen Weltbezug hat und nicht nur aus dem persönlichen Nähkörbchen schmachtet.“

Lisa Eckart im Versace-Look

So also animierte mich an diesem Abend eine „Kunstfigur“ der Zukunft, möglicherweise aus der neuen Heimat des Internets, daher weit weg vom Jammern und Bedenklichen über Faschismus und die anderen ismen. Sie stand einfach drüber. Als käme sie eben aus dieser neuen, virtuellen Welt, kein weicher Körper, sie hat noch nie geschwitzt. Ist von künstlicher Intelligenz, aber nicht der, die uns angeblich beherrschen will. Viel weniger technisch: Und doch bilde ich mir ein, dass ich Kabel hinter der Stirn von Lisa Eckart sehe, wenn sie weiter blitzt. Hochwohlgeboren.

4. September 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Mehr Fragen, keine Antwort

Manche sagen: Corona zwingt Frauen wieder zurück ins Haus. Mir scheint eher: Das Virus zeigt überall deutlich, was unter uns nicht gut läuft. Es „demaskiert“. Also werden wir ändern. Eine gute Nachricht. Heißt aber auch: Wir Frauen haben zwar manches erreicht, aber, da hatten die Feministinnen recht, keine Gleichberechtigung. Gut so. Wollten wir nicht. Wussten zuletzt, dass uns der gleiche Schwachsinn, den alte weiße Männer fabrizieren, nicht reicht.
Ich würde sagen: Frauen wollen zu sich selbst, also auf weibliche Weise weiterkommen. Da nun der Irrweg der Gleichberechtigung deutlich wird, schauen wir Frauen genauer hin. Was will die Frau? Muss sich auch der Mann fragen, der nicht mehr alt und weiß sein will. Wo finden beide eine Antwort? Ich sehe hinter dem Hässlichen, das Corona so schön sichtbar werden ließ, erste Ansätze einer neuen Welt. Außen langsamer, keine Massen, nach Innen schauen, auch andere wahrnehmen, Sorgfalt. Überhaupt: Virtuelles Reisen, virtuelles Arbeiten, Kommunizieren, Feiern, Kulturelles. Das Internet als Menschsein-Training: Wir nehmen unsere Körper zurück, entlasten Schritt um Schritt den Planeten und gewinnen etwas, das wir bisher nicht kennen. Das, was wohl hinter unserem schneller-weiter-höher im eigenen Wesen steckt. Kann ich dann anfangen, mich zu lieben? Statt wie Frauen bisher: Immer alles von Männern zu erwarten, sogar die „Gleichberechtigung“? Social Distancing der Körper: Die Tiere kommen zurück, Bäume und Pflanzen wachsen, die Städte grünen, machen Platz, weil immer mehr lieber auf dem Land leben. Wer so „leicht“ lebt, wird auch nicht mehr viel Fleisch essen, weniger Alkohol trinken, er und sie wird mehr träumen oder meditieren und sich dabei als Mensch, als Mitmensch entdecken. Frauen und Männer als fortschreitend Androgyne. Oder hatten wir dafür den Begriff post-gender erfunden?

4. September 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

The Possibility of Breaking it

Es gibt für dich keine Grenzen, das Leben in seiner Fülle zu suchen, es auszuprobieren, erleuchtete mich heute Morgen ein Guru auf seinem Video. Empowerment, dachte ich auch, kurz davor. Und überlegte, wie ich diesen riskanten Aufruf für mich, über Mitte 70, umsetzen könnte. Schneller, weiter, höher, wie wir Westler das als Ruf in die Welt verstehen, nein, das geht nicht mehr, so scheitern wir ja gerade. Außerdem: Ich habe den Hebel ins Innere vor mehr als 40 Jahren entsprechend umgestellt. Weil es mir damals so wenig gut ging wie uns allen heute. Was aber dann: Empowerment, dieses Wort löst etwas aus? Mein noch unklares Ego fühlt sich ja gemeint, wenn der Guru weiter ermutigt: „You are not settled by limitations, you can experience the whole universe“. Habe ich eine uralte, feministische Blockade, die das volle Experiment „Leben“ jetzt in meinen letzten Jahren als „Alte“ noch immer verhindert? Opfersein, das klebt? Mich trotz ersten Schritten nach Innen immer noch körperlich zu begreifen, also eingeschränkt? Gender, Alter, wer setzt die Grenzen? Durch die Corona-Erfahrung verstärkt: Wir leben heute in einer Zeit der Neu-Erfindung, sehr kreative Zeiten, eigentlich. Wenn nicht immer wieder diese Bremsung einsetzte, weil mir der Körper zuflüstert: Unsinn, dein Platz ist die Couch. Das aber hieße Resignation: Frau bleiben, nah bei der Mutter, der Materie, den Grenzen, dem Puppenhaus, statt mich entschieden virtueller aufzustellen, sogar spirituell. Also mit Netz, dem Internet, zu fliegen, mit Freude höher, grenzenloser. Sind nicht all diese Menschen, die gerade demonstrieren, auch auf Abflug? Müssen aber kurz vorher den Körper mit veralteten Codes beruhigen: Black Lives Matter, Rechts-Retro, Fridays for Future, Weiße alte Männer beschuldigen. Vorbei! Genau: Das, wie der Guru weiter posaunt: „The possibility of breaking it” wird nun mein ständiges Mantra. Ist es das nicht schon? Ich glaube, ich lass mich immer noch viel zu oft von meinem Körper, dem alten, verarschen. Ist ja gut, sage ich ihm, aber recht hast du nicht.

 

4. September 2020
von Christa Ritter
Keine Kommentare

Peter Green ist tot

Am 25. Juli 2020:

Peter Green ist tot. Wie häufig sagt die Familie: Er ist friedlich eingeschlafen. Peter, einer der ersten Fleetwood Macs, ein legendärer Gitarrist („God is Green“ lautete das Grafitti an einer Londoner Wand), der sich schwer tat mit dem schnellen Platz an der Sonne des brutalen Musikgeschäfts, der bald immer mehr zweifelte. Wie geht das richtige Leben? Bis er, supererfolgreich und immer trauriger, die Highfish-Kommunarden in München traf und schon ein paar Tage später ausstieg. One night in Kronwinkl near München: Ein Jude met the experienced new Germans und sah plötzlich, wonach er suchte. Sein Weg nach dieser Vision wurde dann zum Rätsel in der Musikgeschichte.
Darüber wollte ich mal einen Film machen. Klappte nicht. Peter ging damals 1970 zurück nach England, ins Land der Guten, einer Klassengesellschaft: Kommune leben hieß dort Heilanstalten, ein „Exilant“, keine Liebe nirgendwo. Er wurde für verrückt erklärt, bald auch von seinen Ex-Macs. Später beschuldigten sie die Münchner: Nazis, Schwarzmagier, Jetsetter hätten ihren lieben Freund umgedreht. Nichts hatten sie verstanden. Aber Fleetwood Mac legte zu. Immer weiter an die Spitze! Ihr Anfangserfolg verdreifachte sich mit dem Umzug in die USA und einem der größten Hits aller Zeiten. „Rumours“.
Einmal traf ich Peter „zufällig“ in London auf dem Flughafen. Eine halbe Stunde erster Gesprächsversuch. Dann Jahre später ein Konzert in München (Splinter-Group). Er lebte zurückgezogen, wirkte nicht ganz da. Wo war er wirklich? Kürzlich meldete sich bei Rainer und mir sein Sohn: Was war damals passiert, als Peter die Kommunarden traf? So fragte er. Ob er inzwischen noch mit Peter darüber sprechen konnte?
Zur Werkzeugleiste springen